Post by flle on Apr 6, 2010 0:09:02 GMT -5
Fall 20 - Die Auflassungsvormerkung
Der durch Aktienoptionsgeschäfte vermögend gewordene Börsenspekulant B möchte eine standesgemäße Villa am Starnberger See erwerben. Er schließt mit A einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über ein entsprechendes Hausgrundstück. Die Auflassung soll erst nach Bezahlung des Kaufpreises erfolgen. Nachdem B den Kaufpreis nicht vereinbarungsgemäß leistete, veräußert A das Grundstück an den C, der ihm ohnehin 100.000.- € mehr geboten hat als B. C wird im Grundbuch als Eigentümer eingetragen.
Kann B noch Eigentümer werden, wenn C in jedem Fall das Grundstück behalten möchte?
1. Abwandlung
B gibt sein Vorhaben nicht auf, ein adäquates Domizil zu erwerben und macht das Hausgrundstück des D ausfindig. Es wird ein formwirksamer Kaufvertrag geschlossen. Nach seinen schlechten Erfahrungen besteht B diesmal auf eine Auflassungsvormerkung, die ihm von D auch bewilligt und im Grundbuch eingetragen wird. Danach findet aber auch D einen mehr bietenden Käufer E, dem er sein Hausgrundstück veräußert. E ist von dem Grundstück so angetan, dass er keinesfalls bereit ist, dieses zurückzugewähren.
Was kann B unternehmen, wenn E im Grundbuch als neuer Eigentümer eingetragen wurde?
2. Abwandlung
Angenommen, D hätte statt der Veräußerung an E dem M eine Dachwohnung in der Villa vermietet (Sachverhalt sonst wie 1. Abwandlung): Stünde dem B nach seiner Eintragung als Eigentümer ins Grundbuch ein Anspruch gegen M aus §
985 BGB auf Räumung zu?
Lösung Fall 20
Lösung Ausgangsfall:
A) Anspruch des B gegen A auf Übergabe und Übereignung des Hausgrundstücks,
§433 Abs.1 S.1 BGB
Als Grundlage für einen Anspruch des B gegen A auf Übergabe und Übereignung des
Hausgrundstücks kommt ein Kaufvertrag (§433 Abs.1 S.1 BGB) in Betracht.
I) Damit dieser Anspruch entstanden ist, müssten die Parteien einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen haben.
1. A und B haben sich über den Kauf des Grundstücks geeinigt. Ein Kaufvertrag
(§433 Abs.1 S.1 BGB) liegt vor.
2. Der Vertrag wurde notariell beurkundet (§128 BGB), die Form des
§311b Abs.1 S.1 BGB ist somit gewahrt. Daher ist der Kaufvertrag nicht nach
§125 S.1 BGB nichtig.
Der Anspruch ist somit entstanden.
II) Er dürfte nicht erloschen sein. In Betracht kommt §275 Abs.1 1.Alt. BGB, subjektive Unmöglichkeit. Dazu müsste dem A die Übereignung an B unmöglich sein. Dies ist der Fall, wenn der geschuldete Leistungserfolg dauerhaft nicht erbringbar ist, d. h. wenn A weder leistungsfähig ist noch sich leistungsfähig machen kann.
1. A kann die geschuldete Leistung nicht erbringen, wenn er das Grundstück wirksam an
C übereignet hat.
a) A hat das Grundstück gem. §§873 Abs.1, 925 Abs.1 S.1 BGB an C aufgelassen.
b) C ist laut Sachverhalt als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden
(§873 Abs.1 BGB).
c) Da laut Sachverhalt A das Grundstück nicht an B aufgelassen hatte, war er noch
Eigentümer und verfügte als Berechtigter.
(Der Kaufvertrag zwischen A und B ändert daran natürlich nichts!)
A hat das Grundstück somit an C übereignet und kann die geschuldete Leistung nicht erbringen.
2. Da C das Grundstück in jedem Fall behalten möchte, kann A es auch nicht von C
erwerben und sich so wieder leistungsfähig machen.
Daher liegt subjektive Unmöglichkeit vor, der Anspruch ist gem. §275 Abs.1 1.Alt. BGB
ausgeschlossen. Auf ein etwaiges Verschulden des A kommt es nicht an.
Ein Anspruch des B gegen A aus dem Kaufvertrag besteht daher nicht.
B) Anspruch des B gegen C auf Übereignung des Hausgrundstücks gem. §§826,
249 Abs.1 BGB
Die Übereignung zwischen A und C war nicht sittenwidrig und C wusste nichts vom Vertragsverhältnis zwischen A und B, er handelte also nicht vorsätzlich zum Nachteil des B. Daher scheidet dieser Anspruch von vorne herein aus.
Anders wäre es im Fall der Kollusion, also wenn A und C gezielt zum Nachteil des B zusammengewirkt hätten. Dann hätte B aus §826 BGB einen Anspruch gegen C auf Naturalrestitution (§249 Abs.1 BGB). C müsste dann den Zustand herstellen, der ohne die Kollusion bestehen würde. Dann hätte B Eigentum am Grundstück erlangt, C müsste also das Grundstück an B übereignen.
C) Anspruch des B gegen C auf Übereignung des Grundstücks aus
§812 Abs.1 S.1 1.Alt. BGB i.V.m. §§285 Abs.1, 275 Abs.1,4 i.V.m. §398 BGB
Weiterhin kommt ein Anspruch des B gegen C auf Übereignung des Hausgrundstücks aus
§812 Abs.1 S.1 1.Alt. BGB i.V.m. §§285 Abs.1, 275 Abs.1,4 i.V.m. §398 BGB in Betracht.
Dazu müsste der Kaufvertrag zwischen A und C gem. §138 Abs.1 BGB wegen
Sittenwidrigkeit nichtig sein. Dies ist aber nicht der Fall, denn es liegt keine Kollusion vor.
Somit scheidet auch dieser Anspruch aus.
Anmerkung: An diesen Anspruch ist dann zu denken, wenn der schuldrechtliche Vertrag zwischen A und C aus irgendeinem Grund nichtig ist. Denn B hat gegen A gem. §§275 Abs.4,
285 Abs.1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe dessen, was A anstelle des Grundstücks erlangt hat. Dazu gehört nach h.M. auch das rechtsgeschäftliche Surrogat, also zum Beispiel der Anspruch auf Kaufpreiszahlung, wenn das Grundstück veräußert wurde (vgl. Palandt,
§285 Rn7). Ist der Kaufvertrag nichtig, erlangt A einen Rückgewähranspruch aus
§812 Abs.1 S.1 1.Alt. BGB. B kann nach §285 Abs.1 BGB Abtretung dieses Anspruchs verlangen.
Nach der Abtretung kann B dann von C Übereignung des Grundstücks verlangen.
B hat keine Ansprüche auf Übereignung des Grundstücks.
Lösung Abwandlung 1:
A) Anspruch des B gegen D auf Übereignung des Grundstücks aus einem Kaufvertrag
(§433 Abs.1 S.1 BGB)
Als Grundlage für einen Anspruch des B gegen D auf Übereignung des Grundstücks kommt ein Kaufvertrag (§433 Abs.1 S.1 BGB) in Betracht.
I) Damit dieser Anspruch entstanden ist, müssten die Parteien einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen haben.
1. D und B haben sich über den Kauf des Grundstücks geeinigt. Ein Kaufvertrag
(§433 Abs.1 S.1 BGB) liegt vor.
2. Der Vertrag wurde notariell beurkundet (§128 BGB), die Form des
§311b Abs.1 S.1 BGB ist somit gewahrt. Daher ist der Kaufvertrag nicht nach
§125 S.1 BGB nichtig.
Der Anspruch ist somit entstanden.
II) Der Anspruch dürfte nicht nach §275 Abs.1 1.Alt. BGB wieder erloschen sein. Dazu müsste D dem B das Eigentum an dem Hausgrundstück gem. §§873 Abs.1,
925 Abs.1 S.1 BGB als Berechtigter verschaffen können.
1. Ursprünglich war D Eigentümer des Grundstücks.
2. Er könnte sein Eigentum aber gem. §§873 Abs.1, 925 Abs.1 S.1 BGB an E verloren haben.
a) Eine wirksame Auflassung im Verhältnis des D zu E liegt vor. b) E wurde als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
c) D verfügte als Berechtigter. (Der Kaufvertrag mit B kann hieran –
selbstverständlich – nichts ändern!).
Somit wurde E Eigentümer des Grundstücks.
d) Diese Übereignung könnte aber zugunsten des B gem. §883 Abs.2 S.1 BGB relativ unwirksam sein, so dass zugunsten des B weiterhin D als Eigentümer gilt, wenn eine wirksame Auflassungsvormerkung (§§883, 885 BGB) zugunsten des B besteht.
aa) Dazu müsste ein schuldrechtlicher Anspruch auf die Einräumung eines Rechts an einem Grundstück bestehen (§883 Abs.1 BGB). Aus dem Kaufvertrag mit D hat B vorliegend einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung des Eigentums am Hausgrundstück des D.
bb) D hat die Vormerkung zugunsten des B bewilligt (§885 Abs.1 S.1 BGB). cc) Die Vormerkung wurde im Grundbuch eingetragen (§883 Abs.1 S.1 BGB). dd) D handelte als Berechtigter, §885 Abs.1 S.1 BGB.
Somit hat D wirksam eine Auflassungsvormerkung zugunsten des B bewilligt.
ee) Die Auflassung an E erfolgte nach Eintragung der Vormerkung (§883 Abs.2 S.1 BGB). Da die Übereignung an E den Anspruch des B auf Auflassung des Grundstücks beeinträchtigt, ist die Übereignung insoweit unwirksam, als die Beeinträchtigung reicht.
Dies führt zu einer relativen Unwirksamkeit der Übereignung gegenüber B. Da für B der D noch Eigentümer ist, scheitert der Anspruch auf Übereignung des Grundstücks nicht an §275 Abs.1 1.Alt. BGB.
Daher hat B einen Anspruch gegen D auf Auflassung des Grundstücks aus dem
Kaufvertrag (§433 Abs.1 S.1 BGB).
Anmerkung: Eine Vormerkung wirkt stets nur soweit, wie es nötig ist, um den gesicherten Anspruch zu erhalten. Daher beschränkt sie den Eigentümer nicht in seiner Verfügungsmacht und führt auch nicht zu einer Grundbuchsperre. Im Fall einer vormerkungswidrigen Verfügung kann sich nur der Vormerkungsinhaber auf die Unwirksamkeit der Verfügung berufen. Für jeden anderen ist die Verfügung wirksam.
B) Anspruch des B gegen E auf Zustimmung zur Eintragung des B als Eigentümer im
Grundbuch, §888 Abs.1 BGB
B kann möglicherweise von E gem. §888 Abs.1 BGB die Erteilung der Zustimmung zu seiner
Eintragung als Eigentümer im Grundbuch (§19 GBO) verlangen.
I) Aufgrund der Vormerkung ist der Eigentumserwerb des E gegenüber B relativ unwirksam
(s.o.).
II) Zur Verwirklichung des Anspruchs des B auf Übereignung des Grundstücks ist dessen
Eintragung im Grundbuch erforderlich.
Daher kann B von E gem. §888 Abs.1 BGB die Zustimmung zu seiner Eintragung als
Eigentümer ins Grundbuch gem. §19 GBO verlangen.
Anmerkung: Grundbuchrechtlich erfolgt die Eintragung des B ins Grundbuch wie folgt:
1. Antrag auf Eintragung gemäß § 13 GBO.
2. Vorlage der Einigungserklärung (Auflassung zwischen B und D, §§ 873, 925 BGB) nach
§§ 20, 29 GBO.
3. Vorlage der Zustimmungserklärung des als Eigentümer eingetragenen E (vgl. § 891 BGB)
gemäß § 19 GBO in der Form des § 29 GBO.
Könnte B nicht die Zustimmung zu seiner Eintragung ins Grundbuch von E verlangen, könnte E durch Verweigerung dieser Zustimmung die Eintragung des B und damit den Eigentumserwerb des B auf Dauer verhindern, so dass die Vormerkung ihrem Inhaber nicht zum Rechtserwerb verhelfen könnte. Daher ist der Anspruch auf Zustimmung in
§888 Abs.1 BGB als unselbständiger Hilfsanspruch dinglicher Natur normiert worden. Der
Anspruch aus §888 BGB besteht immer, wenn eine vormerkungswidrige Verfügung getroffen wurde und ist daher immer zu prüfen, wenn auch nur kurz!
Lösung Abwandlung 2:
Anspruch des B gegen M auf Räumung der Dachwohnung, §985 BGB
Als Grundlage für einen Anspruch des B gegen M auf Räumung der Dachwohnung kommt
§985 BGB in Betracht.
I) M ist Besitzer der Dachwohnung (§854 Abs.1 BGB).
II) B hat von D gem. §§873 Abs.1, 925 Abs.1 S.1 BGB das Eigentum an dem Grundstück erworben, dessen wesentlicher Bestandteil (§94 Abs.1 S.1 BGB) die Villa ist, in der sich die von M bewohnte Wohnung befindet. B ist daher Eigentümer der Wohnung.
III) M dürfte kein Recht zum Besitz haben (§986 Abs.1 S.1 BGB). Als Recht zum Besitz im
Sinne des §986 Abs.1 S.1 1.Alt. BGB kommt ein Mietvertrag (§535 Abs.1,2 BGB) i.V.m.
§566 Abs.1 BGB in Betracht.
1. Dazu müsste ein Mietvertrag zwischen B und M bestehen. Der Wohnraum wurde vor der Übereignung des Grundstücks an B dem M zur Nutzung überlassen. Grundsätzlich tritt B gem. §566 Abs.1 BGB als Erwerber in den Mietvertrag zwischen D und M ein. Daher könnte ein obligatorisches Besitzrecht des M gegenüber B gemäß
§986 Abs.1 S.1 1.Alt. BGB gegeben sein.
2. Möglicherweise ist die Vermietung nach Eintragung der Vormerkung in das
Grundbuch aber eine vormerkungswidrige Verfügung gem. §883 Abs.2 S.1 BGB.
a) Dazu müsste eine Verfügung vorliegen. Die Vermietung einer Wohnung stellt aber keine Einwirkung auf das Eigentum oder ein sonstiges Recht an dem Hausgrundstück dar. Daher liegt keine Verfügung vor, §883 Abs.2 S.1 BGB ist nicht direkt anwendbar.
b) In Betracht kommt aber eine analoge Anwendung der Vorschrift. Ob dies möglich ist, ist umstritten:
aa) Nach einer Ansicht soll §883 Abs.2 S.1 BGB auf Vermietungen und
Verpachtungen analoge Anwendung finden.
Als Argumente werden hierfür angeführt, der Mieter würde sonst als nur obligatorisch Berechtigter besser geschützt als derjenige, der ein dingliches Wohnrecht (§1093 BGB) oder ein Nießbrauchsrecht (§§1030ff. BGB) erwirbt. Dies würde einen Wertungswiderspruch darstellen.
Zudem nähere §566 BGB das obligatorische Mietrecht einem dinglichen, gegenüber jedermann wirkenden Recht an.
Ferner würde der Erwerber im Fall eines langfristigen Mietvertrags für lange Zeit gebunden und könnte den Besitz an seinem Grundstück nicht oder nur stark eingeschränkt ausüben.
Außerdem könne sich der Mieter über vertragliche Schadensersatzansprüche bei seinem Vertragspartner schadlos halten.
Nach dieser Ansicht wäre die Vermietung an M nach Eintragung der Vormerkung für
B nicht wirksam, M hätte keinerlei Recht zum Besitz gem.
§986 Abs.1 S.1 1.Alt. BGB.
(Vgl. Prütting, §18, Rn. 190; MünchKomm-Wacke, §883, Rn. 42; Palandt68-
Bassenge §883 Rn. 20)
bb) Nach der Gegenansicht ist eine analoge Anwendung von §883 Abs.2 S.1 BGB
nicht möglich.
Diese Ansicht führt an, §566 BGB solle dem Mieter einen besonderen Schutz bei Veräußerungen der Mietsache gewähren. Daher solle das relative Recht auch bei einer Übereignung erhalten bleiben. Dieser Schutz dürfe nicht durch eine Gleichstellung von Vermietung und Verfügung ausgehöhlt werden.
Ein Wertungswiderspruch im Verhältnis zu dinglichen Rechten ergebe sich nicht, weil ja neben dem dinglichen Recht auch ein Mietvertrag geschlossen werden könne.
Ferner sehe ein Mieter vor Abschluss eines Mietvertrages gewöhnlich nicht ins
Grundbuch, der Erwerber eines dinglichen Rechts dagegen schon. Daher hat der Mieter schlechtere Möglichkeiten, sich vor einem Rechtsverlust in folge der Anwendung des §883 Abs.2 S.1 BGB zu schützen.
Zudem könne sich der Erwerber durch vertragliche Schadensersatzansprüche bei seinem Vertragspartner schadlos halten.
Nach dieser Ansicht hat M ein Besitzrecht gegenüber B gem.
§986 Abs.1 S.1 1.Alt. BGB, der Anspruch aus §985 BGB scheidet aus.
Vgl. BGHZ 13, 1 (4f.); BGH NJW 1989, 451; Baur/Stürner, §20, Rn. 41; Palandt68-
Weidenkaff §566 Rn. 8
cc) Im Ergebnis überzeugt vor allem das Argument der Schutzmöglichkeiten: Bei dem Erwerb eines dinglichen Rechts wird in nahezu allen Fällen ein Notar aufgesucht, um eine bindende dingliche Einigung nach §873 Abs.2 BGB herbeizuführen. Ein Notar holt in aller Regel einen Grundbuchauszug ein und legt diesen den Vertragsparteien vor. Der Mieter hingegen sieht in aller Regel vor Anmietung einer Wohnung nicht in das Grundbuch. Der Mieter hat dafür auch keinen Anlass, schließlich will er kein dingliches Recht erwerben. Daher ist die von §883 Abs.2 S.1 BGB vorgenommene Differenzierung, also die Anwendbarkeit nur bei dinglichen Rechten, gerechtfertigt. Es besteht keine planwidrige Regelungslücke.
Daher ist der zweiten Ansicht zu folgen.
Es besteht ein Recht zum Besitz gem. §986 Abs.1 S.1 1.Alt. BGB. B hat keinen Anspruch gegen M auf Räumung der Wohnung.
Der durch Aktienoptionsgeschäfte vermögend gewordene Börsenspekulant B möchte eine standesgemäße Villa am Starnberger See erwerben. Er schließt mit A einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über ein entsprechendes Hausgrundstück. Die Auflassung soll erst nach Bezahlung des Kaufpreises erfolgen. Nachdem B den Kaufpreis nicht vereinbarungsgemäß leistete, veräußert A das Grundstück an den C, der ihm ohnehin 100.000.- € mehr geboten hat als B. C wird im Grundbuch als Eigentümer eingetragen.
Kann B noch Eigentümer werden, wenn C in jedem Fall das Grundstück behalten möchte?
1. Abwandlung
B gibt sein Vorhaben nicht auf, ein adäquates Domizil zu erwerben und macht das Hausgrundstück des D ausfindig. Es wird ein formwirksamer Kaufvertrag geschlossen. Nach seinen schlechten Erfahrungen besteht B diesmal auf eine Auflassungsvormerkung, die ihm von D auch bewilligt und im Grundbuch eingetragen wird. Danach findet aber auch D einen mehr bietenden Käufer E, dem er sein Hausgrundstück veräußert. E ist von dem Grundstück so angetan, dass er keinesfalls bereit ist, dieses zurückzugewähren.
Was kann B unternehmen, wenn E im Grundbuch als neuer Eigentümer eingetragen wurde?
2. Abwandlung
Angenommen, D hätte statt der Veräußerung an E dem M eine Dachwohnung in der Villa vermietet (Sachverhalt sonst wie 1. Abwandlung): Stünde dem B nach seiner Eintragung als Eigentümer ins Grundbuch ein Anspruch gegen M aus §
985 BGB auf Räumung zu?
Lösung Fall 20
Lösung Ausgangsfall:
A) Anspruch des B gegen A auf Übergabe und Übereignung des Hausgrundstücks,
§433 Abs.1 S.1 BGB
Als Grundlage für einen Anspruch des B gegen A auf Übergabe und Übereignung des
Hausgrundstücks kommt ein Kaufvertrag (§433 Abs.1 S.1 BGB) in Betracht.
I) Damit dieser Anspruch entstanden ist, müssten die Parteien einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen haben.
1. A und B haben sich über den Kauf des Grundstücks geeinigt. Ein Kaufvertrag
(§433 Abs.1 S.1 BGB) liegt vor.
2. Der Vertrag wurde notariell beurkundet (§128 BGB), die Form des
§311b Abs.1 S.1 BGB ist somit gewahrt. Daher ist der Kaufvertrag nicht nach
§125 S.1 BGB nichtig.
Der Anspruch ist somit entstanden.
II) Er dürfte nicht erloschen sein. In Betracht kommt §275 Abs.1 1.Alt. BGB, subjektive Unmöglichkeit. Dazu müsste dem A die Übereignung an B unmöglich sein. Dies ist der Fall, wenn der geschuldete Leistungserfolg dauerhaft nicht erbringbar ist, d. h. wenn A weder leistungsfähig ist noch sich leistungsfähig machen kann.
1. A kann die geschuldete Leistung nicht erbringen, wenn er das Grundstück wirksam an
C übereignet hat.
a) A hat das Grundstück gem. §§873 Abs.1, 925 Abs.1 S.1 BGB an C aufgelassen.
b) C ist laut Sachverhalt als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden
(§873 Abs.1 BGB).
c) Da laut Sachverhalt A das Grundstück nicht an B aufgelassen hatte, war er noch
Eigentümer und verfügte als Berechtigter.
(Der Kaufvertrag zwischen A und B ändert daran natürlich nichts!)
A hat das Grundstück somit an C übereignet und kann die geschuldete Leistung nicht erbringen.
2. Da C das Grundstück in jedem Fall behalten möchte, kann A es auch nicht von C
erwerben und sich so wieder leistungsfähig machen.
Daher liegt subjektive Unmöglichkeit vor, der Anspruch ist gem. §275 Abs.1 1.Alt. BGB
ausgeschlossen. Auf ein etwaiges Verschulden des A kommt es nicht an.
Ein Anspruch des B gegen A aus dem Kaufvertrag besteht daher nicht.
B) Anspruch des B gegen C auf Übereignung des Hausgrundstücks gem. §§826,
249 Abs.1 BGB
Die Übereignung zwischen A und C war nicht sittenwidrig und C wusste nichts vom Vertragsverhältnis zwischen A und B, er handelte also nicht vorsätzlich zum Nachteil des B. Daher scheidet dieser Anspruch von vorne herein aus.
Anders wäre es im Fall der Kollusion, also wenn A und C gezielt zum Nachteil des B zusammengewirkt hätten. Dann hätte B aus §826 BGB einen Anspruch gegen C auf Naturalrestitution (§249 Abs.1 BGB). C müsste dann den Zustand herstellen, der ohne die Kollusion bestehen würde. Dann hätte B Eigentum am Grundstück erlangt, C müsste also das Grundstück an B übereignen.
C) Anspruch des B gegen C auf Übereignung des Grundstücks aus
§812 Abs.1 S.1 1.Alt. BGB i.V.m. §§285 Abs.1, 275 Abs.1,4 i.V.m. §398 BGB
Weiterhin kommt ein Anspruch des B gegen C auf Übereignung des Hausgrundstücks aus
§812 Abs.1 S.1 1.Alt. BGB i.V.m. §§285 Abs.1, 275 Abs.1,4 i.V.m. §398 BGB in Betracht.
Dazu müsste der Kaufvertrag zwischen A und C gem. §138 Abs.1 BGB wegen
Sittenwidrigkeit nichtig sein. Dies ist aber nicht der Fall, denn es liegt keine Kollusion vor.
Somit scheidet auch dieser Anspruch aus.
Anmerkung: An diesen Anspruch ist dann zu denken, wenn der schuldrechtliche Vertrag zwischen A und C aus irgendeinem Grund nichtig ist. Denn B hat gegen A gem. §§275 Abs.4,
285 Abs.1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe dessen, was A anstelle des Grundstücks erlangt hat. Dazu gehört nach h.M. auch das rechtsgeschäftliche Surrogat, also zum Beispiel der Anspruch auf Kaufpreiszahlung, wenn das Grundstück veräußert wurde (vgl. Palandt,
§285 Rn7). Ist der Kaufvertrag nichtig, erlangt A einen Rückgewähranspruch aus
§812 Abs.1 S.1 1.Alt. BGB. B kann nach §285 Abs.1 BGB Abtretung dieses Anspruchs verlangen.
Nach der Abtretung kann B dann von C Übereignung des Grundstücks verlangen.
B hat keine Ansprüche auf Übereignung des Grundstücks.
Lösung Abwandlung 1:
A) Anspruch des B gegen D auf Übereignung des Grundstücks aus einem Kaufvertrag
(§433 Abs.1 S.1 BGB)
Als Grundlage für einen Anspruch des B gegen D auf Übereignung des Grundstücks kommt ein Kaufvertrag (§433 Abs.1 S.1 BGB) in Betracht.
I) Damit dieser Anspruch entstanden ist, müssten die Parteien einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen haben.
1. D und B haben sich über den Kauf des Grundstücks geeinigt. Ein Kaufvertrag
(§433 Abs.1 S.1 BGB) liegt vor.
2. Der Vertrag wurde notariell beurkundet (§128 BGB), die Form des
§311b Abs.1 S.1 BGB ist somit gewahrt. Daher ist der Kaufvertrag nicht nach
§125 S.1 BGB nichtig.
Der Anspruch ist somit entstanden.
II) Der Anspruch dürfte nicht nach §275 Abs.1 1.Alt. BGB wieder erloschen sein. Dazu müsste D dem B das Eigentum an dem Hausgrundstück gem. §§873 Abs.1,
925 Abs.1 S.1 BGB als Berechtigter verschaffen können.
1. Ursprünglich war D Eigentümer des Grundstücks.
2. Er könnte sein Eigentum aber gem. §§873 Abs.1, 925 Abs.1 S.1 BGB an E verloren haben.
a) Eine wirksame Auflassung im Verhältnis des D zu E liegt vor. b) E wurde als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
c) D verfügte als Berechtigter. (Der Kaufvertrag mit B kann hieran –
selbstverständlich – nichts ändern!).
Somit wurde E Eigentümer des Grundstücks.
d) Diese Übereignung könnte aber zugunsten des B gem. §883 Abs.2 S.1 BGB relativ unwirksam sein, so dass zugunsten des B weiterhin D als Eigentümer gilt, wenn eine wirksame Auflassungsvormerkung (§§883, 885 BGB) zugunsten des B besteht.
aa) Dazu müsste ein schuldrechtlicher Anspruch auf die Einräumung eines Rechts an einem Grundstück bestehen (§883 Abs.1 BGB). Aus dem Kaufvertrag mit D hat B vorliegend einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung des Eigentums am Hausgrundstück des D.
bb) D hat die Vormerkung zugunsten des B bewilligt (§885 Abs.1 S.1 BGB). cc) Die Vormerkung wurde im Grundbuch eingetragen (§883 Abs.1 S.1 BGB). dd) D handelte als Berechtigter, §885 Abs.1 S.1 BGB.
Somit hat D wirksam eine Auflassungsvormerkung zugunsten des B bewilligt.
ee) Die Auflassung an E erfolgte nach Eintragung der Vormerkung (§883 Abs.2 S.1 BGB). Da die Übereignung an E den Anspruch des B auf Auflassung des Grundstücks beeinträchtigt, ist die Übereignung insoweit unwirksam, als die Beeinträchtigung reicht.
Dies führt zu einer relativen Unwirksamkeit der Übereignung gegenüber B. Da für B der D noch Eigentümer ist, scheitert der Anspruch auf Übereignung des Grundstücks nicht an §275 Abs.1 1.Alt. BGB.
Daher hat B einen Anspruch gegen D auf Auflassung des Grundstücks aus dem
Kaufvertrag (§433 Abs.1 S.1 BGB).
Anmerkung: Eine Vormerkung wirkt stets nur soweit, wie es nötig ist, um den gesicherten Anspruch zu erhalten. Daher beschränkt sie den Eigentümer nicht in seiner Verfügungsmacht und führt auch nicht zu einer Grundbuchsperre. Im Fall einer vormerkungswidrigen Verfügung kann sich nur der Vormerkungsinhaber auf die Unwirksamkeit der Verfügung berufen. Für jeden anderen ist die Verfügung wirksam.
B) Anspruch des B gegen E auf Zustimmung zur Eintragung des B als Eigentümer im
Grundbuch, §888 Abs.1 BGB
B kann möglicherweise von E gem. §888 Abs.1 BGB die Erteilung der Zustimmung zu seiner
Eintragung als Eigentümer im Grundbuch (§19 GBO) verlangen.
I) Aufgrund der Vormerkung ist der Eigentumserwerb des E gegenüber B relativ unwirksam
(s.o.).
II) Zur Verwirklichung des Anspruchs des B auf Übereignung des Grundstücks ist dessen
Eintragung im Grundbuch erforderlich.
Daher kann B von E gem. §888 Abs.1 BGB die Zustimmung zu seiner Eintragung als
Eigentümer ins Grundbuch gem. §19 GBO verlangen.
Anmerkung: Grundbuchrechtlich erfolgt die Eintragung des B ins Grundbuch wie folgt:
1. Antrag auf Eintragung gemäß § 13 GBO.
2. Vorlage der Einigungserklärung (Auflassung zwischen B und D, §§ 873, 925 BGB) nach
§§ 20, 29 GBO.
3. Vorlage der Zustimmungserklärung des als Eigentümer eingetragenen E (vgl. § 891 BGB)
gemäß § 19 GBO in der Form des § 29 GBO.
Könnte B nicht die Zustimmung zu seiner Eintragung ins Grundbuch von E verlangen, könnte E durch Verweigerung dieser Zustimmung die Eintragung des B und damit den Eigentumserwerb des B auf Dauer verhindern, so dass die Vormerkung ihrem Inhaber nicht zum Rechtserwerb verhelfen könnte. Daher ist der Anspruch auf Zustimmung in
§888 Abs.1 BGB als unselbständiger Hilfsanspruch dinglicher Natur normiert worden. Der
Anspruch aus §888 BGB besteht immer, wenn eine vormerkungswidrige Verfügung getroffen wurde und ist daher immer zu prüfen, wenn auch nur kurz!
Lösung Abwandlung 2:
Anspruch des B gegen M auf Räumung der Dachwohnung, §985 BGB
Als Grundlage für einen Anspruch des B gegen M auf Räumung der Dachwohnung kommt
§985 BGB in Betracht.
I) M ist Besitzer der Dachwohnung (§854 Abs.1 BGB).
II) B hat von D gem. §§873 Abs.1, 925 Abs.1 S.1 BGB das Eigentum an dem Grundstück erworben, dessen wesentlicher Bestandteil (§94 Abs.1 S.1 BGB) die Villa ist, in der sich die von M bewohnte Wohnung befindet. B ist daher Eigentümer der Wohnung.
III) M dürfte kein Recht zum Besitz haben (§986 Abs.1 S.1 BGB). Als Recht zum Besitz im
Sinne des §986 Abs.1 S.1 1.Alt. BGB kommt ein Mietvertrag (§535 Abs.1,2 BGB) i.V.m.
§566 Abs.1 BGB in Betracht.
1. Dazu müsste ein Mietvertrag zwischen B und M bestehen. Der Wohnraum wurde vor der Übereignung des Grundstücks an B dem M zur Nutzung überlassen. Grundsätzlich tritt B gem. §566 Abs.1 BGB als Erwerber in den Mietvertrag zwischen D und M ein. Daher könnte ein obligatorisches Besitzrecht des M gegenüber B gemäß
§986 Abs.1 S.1 1.Alt. BGB gegeben sein.
2. Möglicherweise ist die Vermietung nach Eintragung der Vormerkung in das
Grundbuch aber eine vormerkungswidrige Verfügung gem. §883 Abs.2 S.1 BGB.
a) Dazu müsste eine Verfügung vorliegen. Die Vermietung einer Wohnung stellt aber keine Einwirkung auf das Eigentum oder ein sonstiges Recht an dem Hausgrundstück dar. Daher liegt keine Verfügung vor, §883 Abs.2 S.1 BGB ist nicht direkt anwendbar.
b) In Betracht kommt aber eine analoge Anwendung der Vorschrift. Ob dies möglich ist, ist umstritten:
aa) Nach einer Ansicht soll §883 Abs.2 S.1 BGB auf Vermietungen und
Verpachtungen analoge Anwendung finden.
Als Argumente werden hierfür angeführt, der Mieter würde sonst als nur obligatorisch Berechtigter besser geschützt als derjenige, der ein dingliches Wohnrecht (§1093 BGB) oder ein Nießbrauchsrecht (§§1030ff. BGB) erwirbt. Dies würde einen Wertungswiderspruch darstellen.
Zudem nähere §566 BGB das obligatorische Mietrecht einem dinglichen, gegenüber jedermann wirkenden Recht an.
Ferner würde der Erwerber im Fall eines langfristigen Mietvertrags für lange Zeit gebunden und könnte den Besitz an seinem Grundstück nicht oder nur stark eingeschränkt ausüben.
Außerdem könne sich der Mieter über vertragliche Schadensersatzansprüche bei seinem Vertragspartner schadlos halten.
Nach dieser Ansicht wäre die Vermietung an M nach Eintragung der Vormerkung für
B nicht wirksam, M hätte keinerlei Recht zum Besitz gem.
§986 Abs.1 S.1 1.Alt. BGB.
(Vgl. Prütting, §18, Rn. 190; MünchKomm-Wacke, §883, Rn. 42; Palandt68-
Bassenge §883 Rn. 20)
bb) Nach der Gegenansicht ist eine analoge Anwendung von §883 Abs.2 S.1 BGB
nicht möglich.
Diese Ansicht führt an, §566 BGB solle dem Mieter einen besonderen Schutz bei Veräußerungen der Mietsache gewähren. Daher solle das relative Recht auch bei einer Übereignung erhalten bleiben. Dieser Schutz dürfe nicht durch eine Gleichstellung von Vermietung und Verfügung ausgehöhlt werden.
Ein Wertungswiderspruch im Verhältnis zu dinglichen Rechten ergebe sich nicht, weil ja neben dem dinglichen Recht auch ein Mietvertrag geschlossen werden könne.
Ferner sehe ein Mieter vor Abschluss eines Mietvertrages gewöhnlich nicht ins
Grundbuch, der Erwerber eines dinglichen Rechts dagegen schon. Daher hat der Mieter schlechtere Möglichkeiten, sich vor einem Rechtsverlust in folge der Anwendung des §883 Abs.2 S.1 BGB zu schützen.
Zudem könne sich der Erwerber durch vertragliche Schadensersatzansprüche bei seinem Vertragspartner schadlos halten.
Nach dieser Ansicht hat M ein Besitzrecht gegenüber B gem.
§986 Abs.1 S.1 1.Alt. BGB, der Anspruch aus §985 BGB scheidet aus.
Vgl. BGHZ 13, 1 (4f.); BGH NJW 1989, 451; Baur/Stürner, §20, Rn. 41; Palandt68-
Weidenkaff §566 Rn. 8
cc) Im Ergebnis überzeugt vor allem das Argument der Schutzmöglichkeiten: Bei dem Erwerb eines dinglichen Rechts wird in nahezu allen Fällen ein Notar aufgesucht, um eine bindende dingliche Einigung nach §873 Abs.2 BGB herbeizuführen. Ein Notar holt in aller Regel einen Grundbuchauszug ein und legt diesen den Vertragsparteien vor. Der Mieter hingegen sieht in aller Regel vor Anmietung einer Wohnung nicht in das Grundbuch. Der Mieter hat dafür auch keinen Anlass, schließlich will er kein dingliches Recht erwerben. Daher ist die von §883 Abs.2 S.1 BGB vorgenommene Differenzierung, also die Anwendbarkeit nur bei dinglichen Rechten, gerechtfertigt. Es besteht keine planwidrige Regelungslücke.
Daher ist der zweiten Ansicht zu folgen.
Es besteht ein Recht zum Besitz gem. §986 Abs.1 S.1 1.Alt. BGB. B hat keinen Anspruch gegen M auf Räumung der Wohnung.