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Post by gast on Oct 14, 2009 11:33:20 GMT -5
Sachverhalt.
A beabsichtigt, im Außenbereich der Stadt K einen Schweinemästereibetrieb für 1900 Mastschweine zu bauen. Das dafür vorgesehene Grundstück ist 150 m entfernt von einem dicht besiedelten Wohngebiet, für das ein qualifizierter Bebauungsplan besteht. Die zuständige Behörde erteilt A die Genehmigung für den Betrieb der Mästerei. N, der Eigentümer eines Wohnhauses am Rande des betreffenden Wohngebiets ist, erhebt nach erfolglosem Vorverfahren Klage gegen die Genehmigung. Darin verweist er auf Ziffer 5.4.7.1 der TA Luft. Unterstellen Sie, dass nach dieser Vorschrift der Mindestabstand solcher Betriebe zu Wohngebieten 250 m betragen muss. Erfolgsaussichten der Klage des N? ----------------------------------------------------------
Zulässigkeit der Klage 1. Verwaltungsrechtsweg eröffnet, § 40 VwGO 2. Statthafte Klageart richtet sich nach klägerischem Begehr, § 88 VwGO hier: Aufhebung der dem A erteilten Genehmigung daher: Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft 3. Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO Möglichkeit einer Rechtsverletzung in subjektiv-öffentlichen Rechten? hier: §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (+), da "schädliche Umwelteinwirkungen für die Nachbarschaft" Begriff der schädlichen Umwelteinwirkung ist in § 3 Abs. 1 BImSchG, der Immissionsbegriff in § 3 Abs. 2 BImSchG definiert nach hM hat § 5 Abs. 1 Nr. 2-4 BImSchG keine subjektiv-öffentliche Wirkung (Vorsorgeprinzip ist abstrakter Natur) zurück zum Fall: Klagebefugnis folgt auch aus § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB (Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen entspricht dem des BImSchG) Folge: Bezugnahme auf baurechtliches Gebot der Rücksichtnahme nicht erforderlich 4. Vorverfahren, § 68 VwGO (+) beachte: vereinfachte Anfechtungsklage (nur) des Antragstellers gemäß § 14a BImSchG statthaft, wenn über Widerspruch nach 3 Monaten noch nicht entschieden ist 5. Frist, § 74 VwGO (+)
6. Zwischenergebnis: Klage zulässig
Begründetheit, vgl. § 113 Abs. 1 Nr. 1 VwGO 1. Rechtmäßigkeit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG a) Ermächtigungsgrundlage: §§ 4, 6 BImSchG b) formelle Rechtmäßigkeit der Genehmigung Zuständigkeit: ergibt sich aus Landesrecht, hier: § 2 Nr. 3 BImSchG-ZustVO S-H (Umweltamt)
Verfahren (+) beachte: ob das "strenge" Genehmigungsverfahren oder das vereinfachte Verfahren nach § 19 BImSchG zur Anwendung gelangt, richtet sich nach § 2 Abs. 1 der 4. BImSch-VO (Spalte des Anhangs) Wichtig: Vor Erlass der Genehmigung müssen die Unterlagen einen Monat lang zur Einsicht ausgelegt werden, § 10 Abs. 3 S. 2 BImSchG; die Behörde gibt dies öffentlich bekannt (§ 10 Abs. 3 S. 1 BImSchG). Drittbetroffene müssen ihre Einwände bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist schriftlich geltend machen, § 10 Abs. 3 S. 2 BImSchG. Später erhobene Einwände sind formell und materiell präkludiert (§ 10 Abs. 3 S. 3 BImSchG) Folge: Verwirkung des Klagerechts für anschließende Nachbarklagen auf Beseitigung der Genehmigung; verfassungsrechtliche Bedenken (Art. 19 Ab. 4 GG!) gegen materielle Präklusion schlagen nicht durch, da Rechtsschutz nicht unzumutbar erschwert wird (vgl. BVerfGE 61, 82 <110>; daher Reduktion von § 10 Abs. 3 S. 3 BImSchG für neu hinzugekommene Nachbarn nahe liegend hier: vgl. Ziff. 7.1 a) gg) der zweiten Spalte des Anhangs (1900 Mastschweine!), daher vereinfachtes Genehmigungsverfahren und wg. § 19 Abs. 2 keine Präklusion des N
Form (+), vgl. § 10 Abs. 7 BImSchG
c) materielle Rechtmäßigkeit
Anlage? Anlage i.S.d. BImSchG: Definition in § 3 Abs. 5 BImSchG ausgenommen sind Abfallbeseitigungsanlagen, die vom KrW/AbfG erfasst werden hier: unproblematisch (+)
genehmigungspflichtige Anlage? vgl. § 4 Abs. 1 S. 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 4. BImSch-VO genehmigungspflichtig sind Anlagen, die im Anhang der 4. BImSch-VO im einzelnen aufgeführt sind (beachte Ausnahmen!) hier (+), vgl. Ziff. 7.1 der zweiten Spalte des Anhangs
keine schädlichen Umwelteinwirkungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft (§§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG)? ---> § 6 abs. nr.1 !!!!!!!!
(P) unbestimmter Rechtsbegriff "schädliche Umwelteinwirkungen" Konkretisierung durch TA Lärm und TA Luft (vgl. § 48 BImSchG) nach Ansicht des BVerwG handelt es sich um "normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften" bzw. von Gerichten zu beachtende Entscheidungshilfen für typische Regelfälle (früher: antizipierte Sachverständigengutachten); Außenwirkung über Art. 3 Abs. 1 GG; demokrat. Legitimation gewährleistet (vgl. § 48 BImSchG: "mit Zustimmung des Bundesrates") wg. besonderer Umstände kann im Einzelfall trotz Unterschreitens der in TA Luft bzw. TA Lärm genannten Immissionsgrenzwerte die Anordnung von Schutzvorkehrungen geboten sein
fehlen Grenzwertbestimmungen, kommt § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG als Generalklausel zur Anwendung (P): bei mehreren Emissionsquellen Summe aller Belastungen maßgeblich? wohl (-) wg. Grundrechtsbezug (anders aber, wenn in der Summe Grenze der Gesundheitsschädigung überschritten wird) hier: nach TA Luft beträgt Mindestabstand zur Wohnbebauung 250 m (nicht gewahrt) Folge: Genehmigung wg. Verstoßes gegen § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG rechtswidrig
2. Rechtmäßigkeit nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. sonstigem Recht !!!!!!! a) Ermächtigungsgrundlage und formelle Rechtmäßigkeit: s.o. beachte: Konzentrationswirkung äußert sich in formeller Hinsicht dergestalt, dass die Immissionsschutzbehörde die Stellungnahmen der Behörden einholt, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird (zuständige Behörde ist also auch mit Blick auf § 35 BauGB die Immissionsschutzbehörde)
b) materielle Rechtmäßigkeit: Verstoß gegen § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB Schweinemästerei ist zwar privilegierter Betrieb i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB; dem Vorhaben steht aber der öffentliche Belang des § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB entgegen (schädliche Umwelteinwirkung ist auch im Rahmen des BauGB durch TA Luft zu konkretisieren, wenn deren Anwendungsbereich berührt ist)
3. Verletzung des N in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO? beachte: im Falle von Drittanfechtungsklagen ist die Rechtsverletzung immer zu prüfen, da Kläger nicht unmittelbarer Adressat des betreffenden Verwaltungsaktes ist hier: (+), da sowohl § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG als auch § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB subjektiv- öffentliche Rechte enthalten
Ergebnis: Anfechtungsklage des N hat Auss auf Erfolg
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Post by gast on Oct 14, 2009 11:36:44 GMT -5
Bundesverwaltungsgericht (Bebauungsrecht; Immissionsschutzrecht)
Bebauungsplan; Immissionsschutz; Gewerbegebiet; erheblich belästigende Gewerbebetriebe; Anlage zum Brechen von Abbruchmaterial, Bauschuttrecycling; Drittschutz gegen immissionsschutzrechtliche Genehmigung; Gebietsschutz gegen schleichende Umwandlung; Rücksichtnahmegebot; "Typisierungslehre" für Nutzungsarten nach der BauNVO
4. BImSchV Nr. 2. 2 Sp. 2; BauGB § 30 Abs. 1; BauNVO § 8 Abs. 1 und 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3; BImSchG § 4 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 5 Abs. 1 Nr. 1
Der Eigentümer eines Grundstücks im durch Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebiet hat kraft Bundesrechts einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung eines im Sinne des § 8 Abs. 1 BauNVO seiner Art nach erheblich belästigenden und daher nur in einem Industriegebiet nach § 9 BauNVO allgemein zulässigen Gewerbebetriebs (hier: Bauschuttrecyclinganlage). Darauf, ob die von dem Gewerbebetrieb ausgehenden Belästigungen unzumutbar im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO oder erheblich im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind, kommt es anders als bei Abwehransprüchen von Betroffenen außerhalb des Gebiets für den Schutz des Gebiets gegen "schleichende Umwandlung" nicht an.
BVerwG, Beschluss vom 2. 2. 2000 - 4 B 87. 99; VGH Mannheim (Lexetius.com/2000,522 [2000/10/1149]) 1
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 2. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gaentzsch, den Richter Dr. Lemmel und die Richterin Heeren beschlossen: 2
Die Beschwerden des Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17. Juni 1999 werden zurückgewiesen. Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 80 000 DM festgesetzt. 3
Gründe: I. Die Beteiligten streiten um eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer sog. Bauschuttrecyclinganlage. Das Baugrundstück der Beigeladenen ist als Gewerbegebiet ausgewiesen. Die noch im Beschwerdeverfahren beteiligten Kläger zu 1, 2, 5 und 6 sind Eigentümer oder Bewohner von Grundstücken, die ebenfalls in diesem Plangebiet liegen. Ihre Anfechtungsklagen hatten in beiden Vorinstanzen Erfolg. Die Anfechtungsklagen der Kläger zu 3 und 4, deren Grundstück in einem dem Gewerbegebiet benachbarten allgemeinen Wohngebiet liegen, hat das Berufungsgericht abgewiesen. 4
Das Berufungsgericht (VGH Mannheim, Urteil vom 17. Juni 1999 10 S 44/ 99) hat die Auffassung vertreten, der Betrieb der Beigeladenen stelle eine erheblich belästigende, mithin industriegebietstypische Anlage dar, die gebietsunverträglich sei und auch im Wege der Befreiung nicht zugelassen werden könne, weil eine Befreiung die Grundzüge der Planung berühre. 5
Der Beklagte und die Beigeladene erstreben die Zulassung der Revision. 6
II. Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet. 7
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerdeführer beimessen. 8
Zur Klärung der sinngemäß aufgeworfenen Frage, ob bei einem Zusammentreffen von Immissionsschutzrecht und Baurecht das Immissionschutzrecht mit seinen verordnungsrechtlichen Konkretisierungen als lex specialis dem durch die Bauleitplanung vermittelten vorbeugenden Umweltschutz im Hinblick auf den Schutz vor Immissionen vorrangig sei, bedarf es keines Revisionsverfahrens; denn bereits aus dem Bundesimmissionsschutzgesetz ergibt sich, daß ein solcher Vorrang nicht besteht. Nach § 6 Abs. 1 Ziff. 2 BImSchG kann eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nur erteilt werden, wenn dem Betrieb der Anlage andere öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen; hierzu gehören auch baurechtliche Vorschriften. Die immissionsschutzrechtliche Beurteilung der Anlage kann daher nicht allein anhand der immissionsschutzrechtlichen Regelungen vorgenommen werden, sondern schließt eine bauplanungsrechtliche Prüfung mit ein. 9
Im übrigen hat sich das Bundesverwaltungsgericht in der von der Beschwerde in anderem Zusammenhang zitierten Entscheidung vom 24. September 1992 BVerwG 7 C 7. 92 (Buchholz 406. 12 § 15 BauNVO Nr. 22 DVBl 1993, 111) zu dem Verhältnis von Immissionsschutzrecht und Bauplanungsrecht bereits geäußert. Hiernach stehen Immissionsschutzrecht und Bebauungsrecht in einer Wechselwirkung zueinander: Einerseits konkretisiert das BImSchG die gebotene Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft allgemein und folglich auch mit Wirkung für das Bebauungsrecht; andererseits bemißt sich die Schutzwürdigkeit eines Gebiets nach dem, was dort planungsrechtlich zulässig ist. 10
Auch die weiteren, das Störpotential der umstrittenen Anlage problematisierenden Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision; denn die Fragen bezeichnen die Anlage als eine solche, von der k e i n e erheblichen Belästigungen ausgehen. Das Berufungsgericht hat aber gerade das Gegenteil festgestellt und bei Anwendung des § 30 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BauNVO die Anlage mit eingehender Begründung als eine solche bezeichnet, die nicht im Gewerbegebiet allgemein zulässig sei, weil sie "erheblich belästigend, also industriegebietstypisch" sei. Zwar ist das Berufungsgericht der Rechtsauffassung, daß den Klägern zu 3 und 4 kein Drittschutz aus dem Rücksichtnahmegebot nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO und aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zustehe. Diese Beurteilung gründet sich aber nicht darauf, daß die Bauschutt-recyclinganlage der Beigeladenen bei der für die Anwendung des § 8 Abs. 1 und Abs. 2 BauNVO gemäß § 15 Abs. 3 BauNVO gebotenen "begrenzt typisierenden" Betrachungsweise keine erheblich belästigende, industriegebietstypische Anlage sei, sondern allein darauf, daß die Kläger zu 3 und 4 wegen der konkreten Lage ihres Grundstücks außerhalb des Gewerbegebietes keinen unzumutbaren oder erheblichen Belästigungen, Störungen oder Nachteilen im Sinne der im Schutzniveau identischen Vorschriften des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO und des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ausgesetzt und deshalb subjektiv nicht in ihren Rechten verletzt seien. Hinsichtlich der Kläger zu 1, 2, 5 und 6 hat das Berufungsgericht hingegen einen Abwehranspruch nicht aus dem Rücksichtnahmegebot nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO und § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG angenommen. Ihren Nachbarschutz leitet das Berufungsgericht aus dem bundesrechtlichen Anspruch auf Bewahrung der festgesetzten Gebietsart ab. Dieser Anspruch stehe ihnen zu, weil ihre Grundstücke anders als die der Kläger zu 3 und 4 - im festgesetzten Gewerbegebiet lägen und in diesem die Anlage der Beigeladenen ihrer Art nach als industriegebietstypische Anlage unzulässig sei. 11
Nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. insbesondere das Urteil vom 16. September 1993 BVerwG 4 C 28. 91 BVerwGE 94, 151) hat die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan grundsätzlich nachbarschützende Funktion zugunsten der Planbetroffenen. Das bedeutet, daß sich ein Nachbar im Plangebiet auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden kann, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll nämlich jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können. Warum dieser Grundsatz im Anwendungsbereich des Bundesimmissionsschutzgesetzes nicht gelten sollte, ist nicht nachvollziehbar; zu den immissionsschutzrechtlich relevanten "anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften" nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG gehören auch die planungsrechtlichen Festsetzungen der Gebietsart. 12
Soweit sich die Beschwerde sinngemäß dagegen wendet, daß das Berufungsgericht die Bauschuttrecyclinganlage der Beigeladenen als einen erheblich belästigenden Gewerbebetrieb eingeordnet hat, sind rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Fragen nicht erkennbar. Daß die in der 4. BImSchV aufgeführten Anlagen nicht schon allein wegen ihrer Aufnahme in diese Verordnung im Gewerbegebiet unzulässig sind, ergibt sich ohne weiteres aus § 15 Abs. 3 BauNVO. Geklärt ist aber auch bereits, daß bei diesen Anlagen in aller Regel ein konkretes, die Gebietsprägung beeinträchtigendes Störpotentitial unterstellt werden muß (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1992 BVerwG 7 C 7. 92 DVBl 1993, 111). Ob ein atypischer Ausnahmefall dann vorliegen würde, wenn von der Anlage "keine schädlichen Umwelteinwirkungen, sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft ausgehen", braucht nicht geklärt zu werden, weil diese Frage hier nicht entscheidungserheblich ist; das Normenkontrollgericht nimmt nur an, daß die Emissionen der Anlage die Kläger nicht in ihren Rechten aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO und aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG verletzen. 13
Schließlich lassen auch die auf § 31 Abs. 2 BauGB bezogenen Fragen keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf erkennen. Das Berufungsgericht hat hier die Möglichkeit einer Befreiung von der Festsetzung der Gebietsart "Gewerbegebiet" verneint, weil durch sie die Grundzüge der Planung im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB berührt würden. Ob die Grundzüge einer Planung berührt werden, läßt sich nicht einheitlich für alle denkbaren Gewerbegebiete sagen, sondern hängt von den konkreten Umständen des jeweiligen Gebietes, insbesondere auch von seiner Umgebung, ab. Insoweit mag die Aussage des Berufungsgerichts (BU, S. 10), die Zulassung eines industriegebietstypischen Betriebes in einem festgesetzten Gewerbegebiet berühre zwangsläufig Grundzüge der Planung und scheide damit von vornherein aus, bedenklich sein. Auf ihr beruht die Entscheidung jedoch nicht. Tragend sind die Ausführungen, nach denen eine Zulassung der Bauschuttrecyclinganlage der Beigeladenen mit der planerischen Konzeption für das hier streitbefangene Gewerbegebiet unvereinbar wäre. Nach der Vorstellung des Plangebers solle es nämlich bei denjenigen Nutzungen verbleiben, die gewerbegebietstypisch seien und auch im Sinne bauplanerischer Vorsorge langfristig zu keinen erheblichen Beeinträchtigungen des Wohnens im benachbarten allgemeinen Wohngebiet führen könnten. Daß in einem solchen Fall die Grundzüge der Planung berührt werden und deshalb eine Befreiung unzulässig ist, ist nicht weiter klärungsbedürftig (vgl. dazu BVerwG, Beschluß vom 5. März 1999 BVerwG 4 B 5. 99 ZfBR 1999, 283). Auf das von der Beschwerde angesprochene Merkmal der "Atypik" kommt es nicht an. 14
2. Der beschließende Senat läßt offen, ob die Beschwerde des Beigeladenen überhaupt zulässig ist, da sie keine eigene Beschwerdebegründung enthält, sondern sich durch Bezugnahme die Ausführungen des Beklagten zu eigen macht. In aller Regel genügt die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, die keine eigene Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs hinsichtlich von Zulassungsgründen durch den Rechtsanwalt, der sie unterzeichnet hat, erkennen läßt, nicht den gesetzlichen Anforderungen (BVerwG, Beschluß vom 19. August 1993 BVerwG 6 B 42. 93 Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 81). Ob das auch dann gilt, wenn auf die Ausführungen eines vertretungsbefugten Behördenvertreters Bezug genommen wird, mag dahinstehen. Jedenfalls kann die Beschwerde der Beigeladenen aus den vorstehenden Gründen keinen Erfolg haben. 15
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG (20 000 DM je Kläger).
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Post by gast on Oct 14, 2009 14:05:46 GMT -5
hier eine klausur von müller campus
Sachverhalt A beabsichtigt abseits der örtlichen Bebauung der nordrhein-westfälischen Gemeinde X die Errichtung eines Geflügelmaststalles für etwa 45.000 Küken ohne selbst angebautes Futter. Das Futter soll vielmehr anderenorts gekauft werden. Dieser Geflügelmaststall bedarf gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der 4. BImSchV, Ziff. 7.1 lit. c des Anhanges zur 4. BImSchV einer Genehmigung. Das Gebäude soll 55 m lang und 40 m breit und bis zu 7,20 m hoch sein. Der ebenfalls dazugehörige Silo soll eine Höhe von über 11 m haben. Es ist beabsichtigt, durch die Verwirklichung dieses Projektes in der ohnehin strukturschwachen Region bis zu 20 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Der für das Gebäude vorgesehene Standort befindet sich in von einem bereits auf große Entfernung einsehbaren und von naturfremden Einflüssen bisher weitgehend freien, überwiegend mit Strauchwerk und vereinzelten Baumreihen bewachsenen Gelände. Dieses Gelände ist Teil eines von der Bevölkerung aus der näheren Umgebung sehr geschätzten Naturerholungsgebietes. Lediglich ein eingleisiger, bis zu 3 m hoher Bahndamm einer mittlerweile stillgelegten und teilweise mit Bäumen und Sträuchern überwachsenen Nebenstrecke und eine 110 kv-Stromversorgungsleitung mit 10 bis 12 m hohen Stahlmasten im Abstand von jeweils ca. 100 m voneinander beeinflussen bisher erkennbar das Landschaftsbild. Um die Einfügung des Vorhabens in das Landschaftsbild gefälliger zu gestalten, will A die Anlage mit einer dichten Reihe von landschaftsüblichen Bäumen umgeben. Er beantragt bei der zuständigen Behörde für sein Vorhaben eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Diese wird ihm nach Beteiligung der gesetzlich vorgesehenen Behörden mit einem Schreiben, das ihm nachweislich am 12. September 2000 zugegangen und mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist, unter Hinweis darauf versagt, dass seinem Vorhaben - was insoweit auch zutreffend ist - zwar keine spezifische immissionsschutzrechtlichen Einwände entgegenstünden. Insbesondere seien vom Betrieb der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen zu erwarten. Dennoch widerspreche das Projekt im Einzelnen näher dargelegten naturschutz- und baurechtlichen Belangen. Unter anderem stelle die Realisierung des Vorhabens einen nach dem Landschaftsgesetz Nordrhein-Westfalen unzulässigen Eingriff dar. A legt dagegen am Montag, den 16. Oktober 2000, bei der zuständigen Behörde schriftlich Widerspruch ein. In seiner Widerspruchsbegründung verweist er unter anderem zutreffend darauf, dass es keine umweltschonendere Alternative für die von ihm geplante Anlage gebe. In dem daraufhin ergehenden Widerspruchsbescheid wird die Genehmigungsversagung mit der bereits bekannten Begründung bestätigt. A gibt sich damit nicht zufrieden und erhebt fristgemäß Klage vor dem örtlich zuständigen Verwaltungsgericht auf Erteilung der von ihm begehrten Genehmigung. Wie sind die Erfolgsaussichten dieser Klage zu beurteilen? Bearbeiterhinweise: Es ist davon auszugehen, dass das Vorhaben keiner Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVPG von Bund/Land unterliegt. § 201 BauGB lautet: „Landwirtschaft im Sinne dieses Gesetzbuchs ist insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Pensionstierhaltung auf überwiegend eigener Futtergrundlage, die gartenbauliche Erzeugung, der Erwerbsobstbau, der Weinbau, die berufsmäßige Imkerei und die berufsmäßige Binnenfischerei.“ -------------------------------------------- ---------------------------------------------
Die Klage des A hat Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.
A. Zulässigkeit der Klage
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO Diese ist unproblematisch zu bejahen. Eine aufdrängende Verweisung des Rechtstreits an die Verwaltungsgerichte liegt nicht vor. Die streitentscheidenden Rechtsnormen ergeben sich vorliegend offensichtlich aus dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), dem Naturschutzrecht und dem öffentlichen Baurecht (hier Bauplanungsrecht), also Normen, die sich zumindest auf der einen Seite ausschließlich an den Staat oder einen sonstigen Träger öffentlicher Gewalt wenden, also nach der modifizierten Subjektstheorie öffentlich-rechtliche Normen sind. Da sich keine Verfassungsorgane oder Teile von diesen um die Anwendung von Verfassungsrecht und den daraus resultierenden Rechten, Pflichten und Kompetenzen gegenüber stehen und streiten, liegt auch eine Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art vor. Auch liegt keine abdrängende Rechtswegverweisung vor. II. Statthafte Klage Diese richtet sich nach dem Klagebegehren des A (vgl. § 88 VwGO). Dieser begehrt die Erteilung einer ihm behördlich versagten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, also den Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes im Sinne des § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz. Daher ist hier eine Verpflichtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO die statthafte Klageart.
III. Klagebefugnis gem. § 42 Abs. 2 VwGO Die Klagebefugnis ist zu bejahen, da die Möglichkeit besteht, dass A einen Anspruch auf Genehmigungserteilung nach § 6 Abs. 1 BImSchG hat. IV. Ordnungsgemäß und erfolglos durchgeführtes Vorverfahren gem. §§ 68 ff. VwGO Nach § 68 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VwGO ist vor Erhebung der Verpflichtungsklage ein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren durchzuführen. Der Widerspruch müsste somit in erster Linie form- und fristgerecht eingelegt worden sein (§ 70 Abs. 1 VwGO). Für eventuelle Formverstöße bei der Widerspruchseinlegung ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte; insbesondere ist der Widerspruch lt. Sachverhalt von A schriftlich bei der dafür zuständigen Behörde eingelegt worden. Problematisch ist hier allein die mögliche Verfristung der Widerspruchseinlegung. Wäre diese zu bejahen, fehlte es an der ordnungsgemäßen Durchführung des Widerspruchsverfahrens als Voraussetzung für die zulässige Klageerhebung. Gemäß § 70 Abs. 1 VwGO ist der Widerspruch binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Die für die hier vorzunehmende Berechnung der Widerspruchsfrist heranzuziehenden Rechtsgrundlagen sind zwar umstritten, einerseits §§ 79, 31 VwVfG, andererseits § 57 Abs. 2 VwGO (vgl. dazu z. B Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 4. Aufl., § 6 RN 30). Doch mag dies dahinstehen, da die am 12.09.2000 zugegangene behördliche Versagung die Monatsfrist jedenfalls am 13.09.2000 in Lauf setzte (§ 187 Abs. 1 BGB). Die Frist endete am 12.10.2000 (§ 188 Abs. 2 BGB). A legte erst am 16.10.2000 Widerspruch ein, hat die Monatsfrist also eindeutig überschritten. Hier muss aber von den Bearbeitern erkannt werden, dass sich die Widerspruchsbehörde gleichwohl auf eine Entscheidung in der Sache eingelassen hat (dazu: Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 4. Aufl., § 6 RN 37 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 70 RN 9). Nach ständiger Rechtsprechung ist die Widerspruchsbehörde nicht verpflichtet, einen verspäteten Widerspruch zurückzuweisen (vgl. z. B. Bundesverwaltungsgerichtsentscheidungen BVerwG, Urt. v. 13.12.1967 - IVC124.65 -, BVerwGE 28, 305[308], BVerwG, Urt. v. 21.3.1979 - 6C10.78 - BVerwGE 57,342 [344]). Vielmehr steht es für sie als „Herrin des Verfahrens“ in ihrem Ermessen, durch eine Sachentscheidung den Rechtsweg neu zu eröffnen (A. A. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 70 RN 9) . Dies gilt nur dann nicht, wenn durch die Sachentscheidung die Rechtsposition eines durch den (hier abgelehnten) Verwaltungsakt Begünstigten wieder entzogen würde. Eine derartige schützenswerte Rechtsposition eines Dritten liegt hier jedoch ersichtlich nicht vor, so dass eine Heilung des Fristversäumnisses eingetreten ist. Es könnte auch an eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gem. § 60 VwGO gedacht werden. Diese muss im Ergebnis jedoch verneint werden. Denn es fehlt insoweit an einem entsprechenden Antrag des A im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO. Da A den Widerspruch aber nachgeholt hat, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO). Jedoch hat die Behörde vorliegend über eine Wiedereinsetzung nicht entschieden (vgl. zu der Problematik: Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 4. Aufl., § 6 RN 44). Da die Widerspruchseinlegung auch erfolglos geblieben ist, ist das Vorverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden.
V. Beteiligten- und Prozessfähigkeit Die Beteiligten- und Prozessfähigkeit sind hier unproblematisch gegeben. Der Kläger A ist als natürliche Person gem. § 61 Nr. 1 1. Alt. VwGO beteiligungsfähig. Die beklagte zuständige Behörde ist als Behörde gem. § 61 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 5 Abs. 1. AGVwGO NW beteiligungsfähig. A ist nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO prozessfähig. Für die beklagte Behörde wird gem. § 62 Abs. 3 VwGO ihr gesetzlicher Vertreter handeln. Die Klage des A ist somit zulässig.
B. Begründetheit der Klage Die Klage des A ist begründet, wenn sie behördliche Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig und A dadurch in seinen Rechten verletzt ist (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). A müsste also einen Anspruch gegen die Behörde auf Erteilung der Genehmigung haben. Dieser könnte sich aus § 6 Abs. 1 BImSchG ergeben. Die Genehmigungsversagung müsste rechtswidrig sein. Da die formelle Rechtmäßigkeit der behördlichen Ablehnung unproblematisch gegeben ist, kommt es nachfolgend allein auf die materielle Rechtmäßigkeit der Ablehnung an.
I. Die Genehmigungspflichtigkeit des Geflügelmaststalls § 6 Abs. 1 BImSchG (i. d. F. vom 26. September 2002, BGBl. I, S. 3830) setzt zunächst voraus, dass es für den in Rede stehenden Geflügelmaststall überhaupt einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG bedürfen die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen, sowie von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen einer Genehmigung. Um welche Anlagen es sich konkret dabei handelt, bestimmt sich nach der aufgrund § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG erlassenen Vierten Verordnung zur Durchführung des BImSchG (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen - 4. BImSchV - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. März 1997 zuletzt geändert durch Verordnung vom 06.05.2002). Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 der 4. BImSchV sind die im Anhang zur 4. BImSchV genannten Anlagen genehmigungsbedürftig. Unter Nr. 7.1 lit. c des Anhanges sind Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Geflügel mit 40.000 Mastgeflügelplätzen und mehr aufgeführt, so dass die von A beabsichtigte Errichtung eines Geflügelmaststalls mit ca. 45.000 Kükenplätzen jedenfalls unter die Genehmigungspflicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG fällt, was den Bearbeitern im Sachverhalt vorgegeben wird.
II. Materielle Voraussetzungen an die Genehmigungsfähigkeit § 6 Abs. 1 BImSchG bestimmt die materiellen Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, damit die immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt wird. Danach ist die Genehmigung zu erteilen, wenn einerseits
1. sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG und einer aufgrund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden (Nr. 1), und andererseits
2. andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen (Nr. 2).
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG betrifft ausschließlich die einzuhaltenden immissionsschutzrechtlichen Anforderungen, deren Vorliegen ausgehend vom Sachverhalt unterstellt werden dürfen, so dass es also keiner weitergehenden Ausführungen bedarf.
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG dürfen die Errichtung und der Betrieb des Geflügelmaststalls weiterhin keinen anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegen stehen. Zu diesen Vorschriften zählen unter anderem solche des Naturschutz- und Landschaftspflegerechts sowie des Bauplanungsrechts.
1. Naturschutz und Landschaftspflegerecht Die Errichtung und der Betrieb des Geflügelmaststalls könnte als Eingriff in Natur und Landschaft nach § 4 Abs. 5 des Gesetzes zur Sicherung des Naturhaushaltes und zur Entwicklung der Landschaft (Landschaftsgesetz - NWLG - i. d. F. der Bekanntmachung vom 21. Juli 2002, zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.09.1002, GV NRW S. 708) unzulässig sein. Danach ist der Eingriff zu untersagen, wenn die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft im Range vorgehen und die Beeinträchtigung nicht zu vermeiden oder nicht im erforderlichen Maße auszugleichen ist. Einen entsprechenden Hinweis auf das NWLG enthält die in der Genehmigungsversagung enthaltene Begründung der Genehmigungsbehörde. a) Zunächst müsste dann das von A beabsichtigte Vorhaben einen Eingriff in Natur und Landschaft darstellen (zur nachfolgenden Problematik insgesamt vgl. Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, 2. Aufl., München 2000, § 15 RN 63 ff.). Gemäß § 4 Abs. 1 NWLG sind Eingriffe in Natur und Landschaft Veränderungen der Gestalt oder der Nutzung von Grundflächen, die die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich oder nachhaltig beeinträchtigen können. Unter § 4 Abs. 2 Nr. 4 NWLG wird ausdrücklich die Errichtung oder die wesentliche Änderung baulicher Anlagen im Sinne von § 2 Abs. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - Landesbauordnung - (BauO NRW i. d. F. der Bekanntmachung vom 01. März 2000, zuletzt geändert durch Gesetz vom 09.05.2000, GV NRW S. 439) als ein Eingriff im Sinne des NWLG bezeichnet. Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW). Hierzu gehört zweifelsohne der zu errichtende Geflügelmaststall. Daran ändert hier auch die „Landwirtschaftsklausel“ des § 4 Abs. 3 Nr. 1 NWLG nichts. Nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 NWLG gilt unter anderem die ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bodennutzung nicht als Eingriff in Natur und Landschaft. Bei der Errichtung des Geflügelmaststalls handelt es sich nämlich nicht um Landwirtschaft. Tierhaltungsbetriebe gelten nur insoweit als Landwirtschaft, als die Tiere auf selbstangebauter Futtergrundlage ernährt werden (vgl. auch § 201 BauGB, der als Bearbeiterhinweis unter dem Sachverhalt abgedruckt ist). (Zum Begriff der Landwirtschaft vgl. auch Hoppe/Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, 2. Aufl. 2002, § 8 RN 370). Selbst wenn man dem nicht folgte, müsste zumindest die landwirtschaftliche „Bodennutzung“ verneint werden. Denn hier soll gerade nicht der Boden zur Tierhaltung benutzt werden, sondern die Tierhaltung in einem eigens dafür zu errichtenden Maststall stattfinden. Die von A geplante Errichtung des Geflügelmaststalls stellt somit einen Eingriff in die Natur und Landschaft dar. b) Ferner müssten die durch den Eingriff erfolgenden Beeinträchtigungen unvermeidbar sein. Denn vermeidbare Eingriffe durch den Verursacher sind zu unterlassen (§ 4 Abs. 4 Satz 1 NWLG). Für die Beurteilung der Vermeidbarkeit eines Eingriffs kommt es nicht auf die Vermeidbarkeit im naturwissenschaftlichen Sinne an. Denn ansonsten wäre jede Beeinträchtigung zumindest durch ihre bloße Unterlassung vermeidbar. Die Durchführung eines die Natur und Landschaft belastenden Vorhabens soll jedoch möglich bleiben (VGH Kassel, NVwZ 1988, 1040, 1044; Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, 2. Aufl., § 15 RN 77; Schink, DVBl. 1992, 1390, 1397). Entscheidendes Kriterium für die Vermeidbarkeit eines Eingriffs ist deshalb, ob für das zu realisierende Vorhaben eine umweltschonendere Alternative besteht. Deshalb haben Beeinträchtigungen als vermeidbar zu gelten, wenn das mit dem Eingriff verfolgte Ziel auf andere zumutbare, die Natur und Landschaft schonendere Weise, insbesondere an einem anderen Standort, erreicht werden kann. Angesichts des bereits auf große Entfernung einsehbaren und von naturfremden Einflüssen weitgehend freien Geländes dürfte es unmöglich sein, eine derart dimensionierte Geflügelanlage an der vorgesehenen Stelle ohne schädliche Folgen für das Landschaftsbild zu errichten. Auch gibt es für einen dem A für sein Projekt zur Verfügung stehenden Alternativstandort keine Anhaltspunkte. Die erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ist somit unvermeidbar. c) Des Weiteren dürfte die Beeinträchtigung nicht ausgeglichen werden können. Ausgeglichen ist sie, wenn nach Beendigung des Eingriffs keine oder keine erheblich oder nachhaltige Beeinträchtigung des Naturhaushalts zurückbleibt und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wieder hergestellt oder neu gestaltet ist (§ 4 Abs. 4 Satz 2 NWLG). Ausgleichende Maßnahmen für einen beeinträchtigenden Eingriff in das Landschaftsbild sind solche, durch in dem betroffenen Landschaftsraum ein Zustand geschaffen wird, der in gleicher Art, mit gleichen Funktionen und ohne Preisgabe wesentlicher Faktoren des optischen Beziehungsgefüges den vor dem Eingriff vorhandenen Zustand in weitest möglichen Annäherung fortführt. Ein solcher Ausgleich muss nicht notwendig an der Stelle des Eingriffs erfolgen. Entscheidend ist insoweit, dass unvermeidbare Eingriffe in das Landschaftsbild in einer landschaftsgerechten Weise aufgefangen werden (vgl. BVerwG, NVwZ 1991, 364, 367). Das Gelände ist bislang offen und weithin einsehbar. Zwar weist es im Erscheinungsbild - wovon der Bahndamm der stillgelegten Bahnstrecke und die Stromversorgungsleitung künden - auch jetzt schon Zeugnisse menschlicher Beeinflussung auf. Doch spielen die naturfremden Einflüsse auf das Landschaftsbild ungeachtet der nicht zu übersehenden 110 kv Stromversorgungsleitung bisher noch eine eher untergeordnete Rolle. Das Vorhaben des A ist angesichts seiner Ausmaße in der Landschaft weithin sichtbar. Es wird das bisherige Landschaftsbild nicht nur erheblich verändern, sondern auch erheblich stören. Zudem ist die Anlage geeignet, den Eindruck einer naturnah belassenen Flur weitgehend zu beseitigen. daran wird auch die als „Milderungsmaßnahme“ vorgesehene Baumbepflanzung um die Anlage herum nichts ändern. Denn hierdurch kann günstigstenfalls eine grüne Umwallung geschaffen werden, die für sich genommen bereits eine massive Umgestaltung des Landschaftsbildes bedeutete. Überdies wird die Geflügelmastanlage dadurch ihren landschaftsprägenden und -dominierenden Charakter nicht verlieren. Denn auch durch die Baumanpflanzung würde eine Preisgabe wesentlicher Faktoren des bisherigen optischen Beziehungsgefüges nicht verhindert, so dass der aus der Geflügelmastanlage resultierende Eingriff auch nicht in einer landschaftsgerechten Weise aufgefangen werden kann.
d) § 4 Abs. 5 Satz 1 NWLG spricht indes von der „Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft“, so dass die grundsätzliche naturschutzrechtliche Unzulässigkeit durch die Gegenüberstellung anderer Interessen der Allgemeinheit gerechtfertigt sein könnte. Hier ist mit dem Vorhaben des A die Schaffung von bis zu 20 neuen Arbeitsplätzen in der strukturschwachen Region verbunden. Prinzipiell kann auch die Ansiedlung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten einen Belang der Allgemeinheit sein. Zu prüfen ist, ob dieser Belang im vorliegenden Fall den naturschutzrechtlichen Belangen vorgeht. Dazu bedarf es einer entsprechenden Abwägung beider Belange. Diese sind einander gegenüberzustellen und sachgerecht zu gewichten, bevor eine am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Entscheidung über die Bevorzugung des einen und die Benachteiligung des anderen Belanges getroffen wird (vgl. auch BVerwG, NVwZ 1991, 364,367). Die von A projektierte Anlage bedeutet im Falle ihrer Realisierung einen erheblichen Eingriff in das Landschaftsbild. Sie stellt insoweit einen beträchtlichen Störfaktor dar. Zudem wird der Charakter der Umgebung als Erholungslandschaft dadurch maßgeblich negativ beeinflusst. Angesichts dieser nachhaltigen Folgen für Natur und Landschaft, die mit dem Projekt des A verbunden sind, ist die Schaffung von bis zu 20 neuen Arbeitsplätzen als nachrangig anzusehen, zumal durch die verhältnismäßig geringe Anzahl neu geschaffener Arbeitsplätze spürbare Impulse für die Regionalstruktur schwerlich zu erwarten sind. Anmerkung:Bei entsprechender Argumentation können die Bearbeiter aber durchaus auch zum gegenteiligen Ergebnis kommen. Die Problematik des Ausgleichs der Beeinträchtigung sowie der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft stellt einen zentralen Schwerpunkt der Arbeit dar. Von den Bearbeitern ist an dieser Stelle nicht die Kenntnis von Literatur und Rechtsprechung zu diesem Punkt, aber eine ausführliche Argumentation zu erwarten, die die entsprechenden Vorgaben des Sachverhalts aufgreift und umfassend abwägt. Diese Einschätzung entspricht auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. e) Das Vorhaben des A ist somit angesichts von § 4 Abs. 5 NWLG zu Recht versagt worden.
Anmerkung:Wird das Arbeitsplatzargument dagegen über die naturschutzrechtlichen Belange gestellt, wäre der Eingriff zwar zulässig. Dann müssten dem A gleichwohl geeignete Ersatzmaßnahmen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 NWLG) auferlegt werden. Als ultima ratio käme auch die Zahlung eines „Ersatzgeldes“ (§ 5 Abs. 3 NWLG) in Betracht.
2. Bauplanungsrecht Das Vorhaben des A könnte außerdem gegen § 35 BauGB (Bauen im Außenbereich) verstoßen. Da der Geflügelmaststall „abseits der örtlichen Bebauung der Gemeinde X“ in einem Gebiet errichtet werden soll, für das kein Bebauungsplan existiert, ist das Projekt in seiner Lage dem Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB zuzurechnen. Denn um zum Außenbereich zu gehören, darf ein Vorhaben weder auf einem Grundstück innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB noch innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile gemäß § 34 BauGB ausgeführt werden. Hier handelt es sich um ein im Außenbereich privilegiert zu errichtendes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB. Dies ist zwar nicht gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB der Fall, da die Geflügelmastanlage nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt. Gleichwohl kann das Vorhaben des A wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung als ein im Außenbereich „gesolltes“ Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB eingestuft werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.6.1983 - 4B206.82 -, ZfBR 1983, 284,[284]). Doch selbst dann dürften dem Geflügelmaststall keine öffentlichen Belange entgegenstehen. Die Anlage verstößt jedoch gegen Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, verunstaltet das Landschaftsbild und beeinträchtigt schließlich auch noch die natürliche Eigenart der Landschaft und ihre Aufgabe als Erholungsgebiet. Dies alles sind dem Vorhaben entgegenstehende Beeinträchtigungen öffentlicher Belange (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Anmerkung:Auch wenn das Vorhaben des A als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB eingestuft würde, wäre das Ergebnis kein anderes, da auch hier keine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vorliegen darf.
Ergebnis: Dem Vorhaben des A stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG entgegen. Deshalb ist A die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu Recht versagt worden. Die Klage ist unbegründet. Die Klage hat keine Aussichten auf Erfolg und müsste abgewiesen werden. Anmerkung:Bezüglich des Endergebnisses bleibt zu beachten, dass auch ein anderes Ergebnis vertretbar ist. Entscheidend ist die entsprechende Argumentation des Bearbeiters.
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Post by gast on Oct 15, 2009 13:56:30 GMT -5
RiVGH Helmut Petz Wintersemester 2007/08 Vorlesung UMWELT- UND PLANUNGSRECHT (VERTIEFUNG) D. IMMISSIONSSCHUTZRECHT … IV. SCHUTZ VOR LANDWIRTSCHAFTLICHEN GERÜCHEN Fall 5: (Original-Klausur Erste Juristische Staatsprüfung 2001/1 Aufgabe 6) E ist Eigentümer eines ursprünglich als Rinderstall genehmigten und genutzten Gebäudes in der kreisangehörigen bayerischen Gemeinde G. Der Rinderstall befindet sich in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil, der nach der vorhandenen Bebauung den Charakter eines Dorfgebietes hat. Ein Bebauungsplan für das betreffende Gebiet be-steht nicht. Das Gebäude hält zur westlichen Grundstücksgrenze auf der gesamten Länge nur einen Abstand von 1 Meter zum landwirtschaftlich genutzten Grundstück des Nachbarn N ein. N hat in einer Entfernung von 5 Metern zum Gebäude des E einen genehmigten Stall für 100 Mastschweine. Erst 150 Meter entfernt vom Schweinestall des N befinden sich die ersten Wohnhäuser. E beantragt beim zuständigen Landratsamt die Erteilung einer Genehmigung für eine Nutzungsänderung seines Rinderstalles in ein Zweifamilienhaus, die ihm nach erteiltem Einvernehmen der Gemeinde erteilt wird. N wurde weder im Genehmigungsverfahren beteiligt noch wurde ihm eine Ausfertigung der Genehmigung zugestellt. Als er 6 Wochen später die ersten Umbauarbeiten im ehemaligen Rinderstall bemerkt und von der Genehmigung erfährt, ist er empört. Der in der VDI-Richtlinie „Emissionsminderung Tierhaltung – Schweine“ geforderte Mindestabstand zur nächsten Wohnbebauung werde nicht eingehalten, und zwar würden noch nicht einmal 10% des geforderten Abstandes erreicht. Dies führe zwangsläufig dazu, dass N mit erheblichen Auflagen für seinen Schweinemastbetrieb rechnen müsse, sogar eine Nutzungsuntersagung seines Betriebes sei nicht ausgeschlossen. Eine solche Umwandlung des Stalles in Wohnraum sei für ihn grob rücksichtslos und verletze zudem sein Eigen-tumsgrundrecht. E beruft sich bezüglich der Abstandsflächen auf Bestandsschutz, schließlich werde das Gebäude äußerlich nicht verändert. Auch den Vorwurf grob rücksichtslosen Verhaltens weist E zurück, da in einem Dorfgebiet landwirt-schaftliche Nutzung und Wohnnutzung nebeneinander zulässig seien. N erhebt Widerspruch, den die zuständige Regierung wegen Fristversäumung als unzulässig abweist. Daraufhin erhebt er form- und fristgerecht Klage zum Verwaltungsgericht. Bearbeitervermerk: In einem Gutachten, das auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen eingeht, sind folgende Fragen in der vorgegebenen Reihenfolge zu bearbeiten: 1. Hat die Klage des N Aussicht auf Erfolg? 2. N möchte eine sofortige Einstellung des Umbaus des Rinderstalls erreichen und fragt, ob das im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht Aussicht auf Erfolg hätte. Hinweise: VDI-Richtlinien sind vom Verein Deutscher Ingenieure e.V. herausgegebene technische Regeln, die mit ihren Be-urteilungs- und Bewertungskriterien eine fundierte Entscheidungshilfe geben und einen Maßstab für einwandfreies technisches Vorgehen bilden. Auf die Vorschrift des § 212a Abs. 1 BauGB wird hingewiesen. Lösung Fall 5: <Original-Klausur Erste Juristische Staatsprüfung 2001/1 Aufgabe 6; amtliche Lösungshinweise abgedruckt in BayVBl 2003, 313-317> FRAGE 1: ERFOLGSAUSSICHTEN DER KLAGE A. VERWALTUNGSRECHTSWEG, § 40 Abs. 1 VwGO hier: + (Sonderrechtstheorie) B. ZULÄSSIGKEIT DER KLAGE I. Statthafte Klageart Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO II. Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO Adressatentheorie nicht anwendbar; erforderlich ist vielmehr • subjektive Rechtsposition des Klägers • die möglicherweise verletzt ist hier: + (Abstandsflächenrecht, Art. 6, 7 BayBO, und bauplanungsrechtliches Gebot der Rücksicht-nahme; nicht hingegen VDI-Richtlinie und Art. 14 GG) III. Vorverfahren, §§ 68 ff. VwGO ordnungsgemäß eingeleitetes Vorverfahren erforderlich; hier: Problem der rechtzeitigen WS-Erhebung, § 70 Abs. 1 VwGO § 58 Abs. 2 VwGO nicht unmittelbar anwendbar analoge Anwendung scheidet aus, da wohl keine planwidrige Lücke und keine im Wesentlichen über-einstimmenden rechtliche Bewertungen aber: Frist aus Treu und Glauben (Jahresfrist ab zuverlässiger Kenntnis) IV. Klagefrist, Art. 74 Abs. 1 VwGO hier: + V. Beteiligtenbezogene Sachurteilsvoraussetzungen, §§ 61 ff. VwGO hier: + C. BEGRÜNDETHEIT DER KLAGE gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO begründet, wenn Genehmigung rechtswidrig und Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt beachte allerdings: laut Sachverhalt ist ein Gutachten zu erstellen, das auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen eingeht; deshalb erweitere Rechtmäßigkeitsprüfung (auch ohne subjektiv-rechtliche Relevanz)! I. Passivlegitimation, § 78 VwGO hier: + (Freistaat als Rechtsträger der Genehmigungsbehörde, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, Art. 59 Abs. 1 Satz 1, Art. 60 Abs. 1 BayBO, Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO) II. Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung 1. Rechtsgrundlage Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayBO 2. Formelle Rechtmäßigkeit a) Zuständigkeit des Landratsamts Art. 59 Abs. 1 Satz 1, Art. 61 Abs. 1 BayBO hier: + b) Nachbarbeteiligung Pflicht des Bauherrn zur Nachbarbeteiligung, Art. 71 Abs. 1 Satz 1 BayBO; Rechtsfehlerfolge allerdings nur die weiteren verfahrensrechtlichen Regelungen des Art. 71 Abs. 1 Sätze 2 bis 6 BayBO Pflicht der Genehmigungsbehörde zur Zustellung der Ausfertigung, Art. 71 Abs. 1 Satz 6 BayBO; Rechtsfehlerfolgen: • Rechtsmittelfrist läuft nicht; nur Verwirkungsgrenze (s.o.) beachte im Übrigen: • § 44a VwGO • Möglichkeit der Heilung, Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG, auch im WS-Vf.; hier: (keine Sachentscheidung der WS-Behörde) • Art. 46 BayVwVfG: Entscheidungsergebnis nicht beeinflusst, da gebundene Entscheidung (beachte i.Ü: nach h.M. ist Art. 71 BayBO selbst nicht nachbarschützend) 3. Materielle Rechtmäßigkeit a) Genehmigungsbedürftigkeit hier: + (Art. 62 BayBO; Art. 63 Abs. 4 Nr. 1 BayBO nicht einschlägig, weil für die neue Nut-zung andere öffentlich-rechtliche Anforderungen hinsichtlich des Sich-Einfügens) b) Genehmigungsfähigkeit Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayBO: Genehmigung ist zu erteilen, wenn Vorhaben keinen öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht, die im Genehmigungsverfahren zu prüfen sind; hier: Vereinfachtes Genehmigungsverfahren gemäß Art. 73 BayBO; deshalb nur eingeschränkter Prüfungsumfang (insb. Bauplanungsrecht und Abstandsflächenrecht) aa) Bauordnungsrechtliche Zulässigkeit/Verstoß gegen Abstandsflächenrecht vorhandene Abstandsflächen (1 Meter) jedenfalls zu klein, vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 BayBO; Verzicht auf Abstandsflächen wegen Bestandsschutz? Der Begriff des Bestandsschutzes umschreibt als Ausfluss einer materiell legalen Ei-gentumsnutzung über einen bestimmten Zeitraum das Recht, das Bauwerk weiterhin so zu unterhalten und zu nutzen wie genehmigt; hier: kein Bestandsschutz, da die Variationsbreite der bisher genehmigten Stallnutzung durch die beabsichtigte Wohnnutzung klar überschritten wird Teleologische Reduktion der Abstandsflächenvorschriften? Abstandsflächen bei Nutzungsänderungen ausnahmsweise dann verzichtbar, wenn die durch die Abstandsflächen geschützten Belange (Belichtung, Belüftung/Besonnung/Wohnfrieden) im Vergleich zum bisherigen Zustand nicht negativ beeinflusst werden können hier: Wohnnutzung stellt an Belüftung und insbesondere Wohnfrieden völlig andere An-forderungen als die genehmigte Stallnutzung; vgl. auch arg. zu Art. 63 Abs. 4 Nr. 1 BayBO; deshalb Abstandsflächen nicht verzichtbar (anders als amtliche Lösungshinweise!) Abweichung nach Art. 70 BayBO: betrifft nur sog. atypische, vom Gesetzgeber in den Regelungen der Art. 6 und 7 BayBO nicht bedachte Fälle; hier: Insgesamt deshalb Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1, 4 BayBO; Baugenehmigung insoweit rechtswidrig. bb) Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit §§ 29 ff. BauGB+ aaa) Vorhaben, § 29 Abs. 1 BauGB hier: + bbb) Bauplanungsrechtlicher Bereich hier: laut Sachverhalt Innenbereich, § 34 BauGB ccc) Zulässigkeit nach § 34 Abs. 1, 2 BauGB • kein Widerspruch zu Festsetzungen eines einfachen B-Plans: + • Vorhaben fügt sich hinsichtlich Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und überbaubaren Grundstücksflächen ein hier: allein Art der baulichen Nutzung fraglich; faktisches Dorfgebiet; deshalb § 34 Abs. 2 BauGB lex specialis; Vorhaben nur zulässig, wenn in entsprechendem Baugebiet allgemein zulässig; gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO + • öffentliche Belange stehen nicht entgegen: + (allenfalls könnten gesunde Wohnverhältnisse fraglich sein) • Erschließung gesichert: + Vorhaben deshalb grundsätzlich bauplanungsrechtlich zulässig ddd) Bauplanungsrechtliches Rücksichtnahmegebot, § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 BauNVO Problematisch, ob geplante Wohnnutzung Belästigungen oder Störungen ausgesetzt ist, die nach der Eigenart des Gebiets unzumutbar sind Unzumutbare Belästigungen = erhebliche Immissionen im Sinne von § 3 Abs. 1 und 2, § 22 Abs. 1 BImSchG: nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder für die Nachbarschaft herbeizuführen hier: zumindest Belästigung Unzumutbarkeit/Erheblichkeit der Immissionen? VDI-Richtlinie als unverbindliche Entscheidungshilfe; wertende Entscheidung erforderlich (Vorbelastungen zu berücksichtigen; ggf. "architektonische Selbsthilfe" des Bauherrn und zumutbare Maßnahmen der Emissionsvermeidung durch Nachrüstung der Schweinehaltung als Ausfluss der Gegenseitigkeit des Rücksichtnahmegebots, z.B. BVerwGE 109, 315) hier: VDI-Werte nicht einmal im Ansatz eingehalten; erhebliche Reduzierung der Emissionen oder Immissionen nicht möglich; deshalb Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme geplante Wohnnutzung im Einzelfall bauplanungsrechtlich unzulässig; Baugenehmigung auch insoweit rechtswidrig III. Subjektive Rechtsverletzung + Fall 6: L ist Landwirt in einem landwirtschaftlich geprägten Dorf der Gemeinde G. Das zuständige Landratsamt erteilt ihm eine Baugenehmigung für den Umbau eines Rinderstalls in einen Schweinestall für 140 Mastschweine. Das Stallgebäude ist 51 m vom Wohnhaus des Nachbars N entfernt. N befürchtet erhebliche Geruchsbelästigungen. Erfolgsaussichten einer Klage? Lösung Fall 6: <siehe BayVGH vom 1.7.2005 BayVBl 2006, 276-279>
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