Post by gast on Sept 21, 2009 19:33:01 GMT -5
Kaum ein anderes Recht des deutschen Privatrechts hat eine so glänzende Karriere hinter sich wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht.' 1954 im Wege richterlicher Rechtsfottbildung aus Art. 2 I GG entwickelt und als »Sonstiges Recht« im Sinne von § 823 I BGB anerkannt,2 kommt ihm heute, im Zeitalter des Teleobjektivs und der Massenmedien, eine überragende Bedeutung zu. Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht prominenter und unbekannter Personen - ob durch privates Urlaubsfoto,3 intimen Schlüsselroman,4 oder satirische Politikerwerbung5 - beschäftigen die Zivilgerichte in zahllosen Entscheidungen.
Folge dieser hohen praktischen Bedeutung und Vielgestaltigkeit ist eine unmittelbare Prüfungs- und Examensrelevanz.6 Bei der Fallbearbeitung bereiten der generalklauselartige Charakter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als so genanntes »Rahmenrecht« und die nahezu unübersehbare Kasuistik allerdings häufig Schwierigkeiten. Der folgende Beitrag nimmt Bedeutung und Komplexität des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zum Anlass, um weitgehend anhand von Fall-beispielen aus der neueren Rechtsprechung die Grundstruktuten des lebzeitigen (B.) sowie des postmortalen (C.) Persönlichkeitsschutzes zu erläutern. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt dabei auf den Besonderheiten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Vergleich mit den übrigen von § 823 I BGB geschützten Rechtsgütern, welche es bei der klausurmäßigen Bearbeitung persönlichkeitsrechtlicher Fallgestaltungen zu beachten gilt. Der Beitrag schließt mit einem Resümee der sich in der Rechtsptechung abzeichnenden Entwicklungstendenzen (D.).
B. DER ZIVILRECHTLICHE PERSÖNLICHKEITSSCHUTZ VOR DEM TODE
I. Vorprüfung
1.Verhältnis zu den besonderen Persönlichkeitsrechten
Bestimmte Ausschnitte der Persönlichkeit, insbesondere der Name und das Bildnis, haben als so genannte besondere Persönlichkeitsrechte in gesetzlich normierten Regelungen (§ 12 BGB bzw. §§ 22 f. KUG) ihren Niederschlag gefunden.' Nach inzwischen herrschendem Verständnis8 kommt diesen besonderen Persönlichkeitstechten jedoch keine abschließende, das allgemeine Persönlichkeitsrecht verdrängende Wirkung zu.9 Vielmehr greift det allgemeine Persönlichkeitsschutz unabhängig davon ein, ob zugleich ein besonderes Per-sönlichkeitsrecht anwendbar ist oder nicht. Allerdings empfiehlt es sich, soweit sich allgemeines und besonderes Persönlichkeitsrecht überschneiden, nach dem Grundsatz der Spezialität bei der Falllösung mit dem besonderen Recht zu beginnen. Gänzlich eigenständige Bedeutung im Bereich des Namens- und des Bildnisschutzes kommt dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht bei der (von § 12 BGB nicht erfassten) bloßen Namensnennung und - »im Vorfeld« der §§ 22 f. KUG - bei der Herstellung von Bildern zu."
2.Rechtsträger
Träger des Persönlichkeitsrechts sind alle natürlichen Personen, einschließlich des nasciturus mit Vollendung der Geburt.11 Auch Verbände und Personenmehrheiten sind vom Schutzbereich erfasst, soweit das allgemeine Persönlichkeitsrecht sinngemäß auf sie anwendbar ist.12 Dies ist etwa für den Schutz des sozialen Geltungsanspruchs eines Wirtschaftsunternehmens eindeutig zu be-jahen.13 Dagegen scheidet ein Schutz der Intimsphäre eines Verbandes denknotwendig aus.14
Aktivlegitimiert ist immer nur der unmittelbar Verletzte, nicht aber derjenige, der von den Fernwirkungen eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht eines anderen lediglich mittelbar belastet wird. Dies sei illustriert an folgendem
Beispiel 1: Die Mutter des Klägers wurde von dessen Schwester erschlagen. Ein Kamerateam filmte den teils entkleideten Leichnam der Mutter zunächst im Haus umd später im Obduktionssaal und strahlte die Aufnahmen im Rahmen einer Fernsehberichterstattung aus. Stehen dem Kläger Ansprüche wegen einer Verletzung seines eigenen Persönlichkeitsrechts zu, wenn er in dem Fernsehbericht weder gezeigt noch erwähnt wurde?15
Eine hier möglicherweise gegebene Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts der Mutter stellt für sich genommen noch keinen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Zwar mag sich dieser, auf Grund seiner engen Beziehung zur Dargestellten, durch den Fernsehbericht persönlich betroffen fühlen. In einer solchen Reflexwirkung, die allein auf familiäre Verbundenheit mit der in das Licht der Offendichkeit gerückten Person zurückgeht, liegt jedoch keine eigenständige Persönlichkeitsrechtsverletzung des Angehörigen.1' Anders wäre zu entscheiden, wenn der Kläger selbst zum Inhalt der Darstellung gemacht worden wäre, insbesondere wenn der Bericht nahegelegt hätte, der Kläger sei für die Familientragödie verantwortlich.1' In diesem Fall wäre der -für eine Rechtsverletzung erforderliche unmittelbate Bezug zur eigenen Persönlichkeitssphäre des Klägers zu bejahen.
II. Haftungsbegründung
Die Prüfung, ob eine bestimmte Handlung das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt, hat zwischen Eingriff in den Schutz bereich, positiver Feststellung der Rechtswidrigkeit des Eingriffs und Pflichtwidrigkeit bzw. Verschulden zu unterscheiden.18 Abweichungen zur »klassischen« Anspruchsprüfung im Rahmen von § 823 I BGB ergeben sich bei der Definition des Schutzbereichs und bei der Feststellung der Rechtswidrigkeit, weshalb auf diese Punkte im Folgenden näher eingegangen werden soll.
1. Schutzbereich
Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts lässt sich nicht exakt definieren oder gar auf eine subsumtionsfähige Formel bringen. Es handelt sich um einen »entwicklungsoffenen« Tatbestand, welcher auf die mit der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung einhergehenden, neuartigen Gefährdungen für die Persönlichkeit mit der Ausbildung immer neuer Schutzpositionen reagiert.19 Die überbordende Judikatur lässt sich allenfalls schablonenhaft in Fallgruppen einteilen.20 So schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht anerkanntermaßen vor Herabwürdigung und Verfälschung des Lebens und Charakterbildes (etwa durch ein technisch manipuliertes Foto oder ein frei erfundenes Interview),21 vor dem Eindringen in die persönliche Sphäre (zu denken wäre an unbefugte Bildaufnahmen oder heimliche Vaterschaftstests),22 vor Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentfaltung (z.B. durch permanente telefonische Nachstellungen)23 und vor unbefugter Kommerzialisierung (insbesondere durch den unautorisierten Einsatz als Werbeträger).24
Die grundlegendste Aufteilung des Schutzbereichs ist jedoch die Differenzierung zwischen dem Schutz ideeller und dem Schutz kommerzieller Persönlichkeitsinteressen.25 Merkmalen der Persönlichkeit, wie Bild, Name oder Stimme, kann ein beträchtlicher wirtschaftlicher Wert zukommen, der im Allgemeinen auf Bekanntheit und oder öffentlichem Ansehen beruht. Nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte dient das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch dem Schutz dieser Vermögenswerten Interessen der Person.26 As Eingriffe in den Schutzbereich sind daher auch solche Handlungen zu werten, die sich, ohne die Persönlichkeit zu entstellen oder sie in ihrem Ruf zu gefährden, lediglich den ihr innewohnenden Wirtschaftswert zu Eigen machen. Aus dieser Doppelspurigkeit des Schutzes folgt zugleich, dass ein und dieselbe Handlung sowohl ideelle als auch kommerzielle Persönlichkeitsinteressen tangieren kann.
Beispiel 2: Die unbefugte Veröffentlichung von Fotos aus dem Bereich des Privatlebens Prominenter durch die Boulevardpresse etwa betrifft einerseits ein ideelles Interesse der betroffenen Personen, sich etwas Privatheit und Anonymität zu bewahren, andererseits aber auch ein (potenzielles) kommerzielles Interesse, aus der entgeltlichen Gestattung der Verwertung finanziellen Nutzen zu ziehen.
Bei der Falllösung sollte man bereits im Rahmen des Gliederungspunkts »Eingriff in den Schutzbereich« die konkret tangierten Persönlichkeitssegmente genau herausarbeiten, zumal der Unterscheidung zwischen ideellen und kommerziellen Persönlichkeitsinteressen für die weitere Prüfung weichenstellende Bedeutung zukommt. Dies gilt zwar in erster Linie für die Rechtsfolgenseite,2' ist aber bereits auf Ebene des Tatbestands und der dort vorzunehmenden Interessenabwägung zu beachten.28 Denn anders als der Schutz ideeller Belange kann sich der zivilrechtliche Schutz kommerzieller Persönlichkeitsinteressen nicht auf eine verfassungsrechtliche Ableitung aus Art. 1,2 1 GG berufen. Das hat das BVerfG klargestellt.29
2. Positive Feststellung der Rechtswidrigkeit
Der Charakter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als dynamisches Rahmenrecht ohne feste Konturen schließt es aus, dassein Eingriff in den Schutzbereich zugleich die Rechtswidrigkeit des Eingriffs indiziert.30 Erforderlich ist vielmehr eine positive Feststellung der Rechtswidrigkeit durch eine umfassende Abwägung der im konkreten Einzelfall betroffenen Güter und Interessen des Persönlichkeitsrechtsinhabers, des Eingreifenden und der Öffentlichkeit.31 Dabei sind auf Seiten des Geschädigten etwa die Intensität der Persönlichkeitsbeeinträchtigung sowie das eigene Verhalten des Verletzten vor dem Eingriff zu berücksichtigen.32 Auf der anderen Seite der Waagschale sind dagegen Grundrechte des Eingreifenden (insbesondere die Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 GG) und schutzwürdige Informationsinteressen der Allgemeinheit in Ansatz zu bringen.33 Beispielhaft lässt sich die vorzunehmende Interessenabwägung anhand von drei Fallgruppen illustrieren, welche die Zivilgerichte in der jüngeren Vergangenheit gleich mehrfach beschäftigt haben.
a) Privatfotos Prominenter
Ein klassisches Konfliktfeld zwischen Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit liefert die Bildberichterstattung der Boulevardpresse mit ihrem Hang zur Beschäftigung mit dem Privadeben Prominenter. Unter dem Einfluss der Entscheidung des EGMR »von Hannover/Deutschland« aus dem Jahr 2004, die der deutschen Rechtsprechung einen ungenügenden Privatsphärenschutz bescheinigt hatte,34 hat sich der BGH 200' in sechs taggleich verkündeten Entscheidungen über Klagen der Eheleute von Hannover für ein neues »abgestuftes Schutzkonzept« entschieden und den Persönlichkeitsschutz zu Lasten der Pressefreiheit deudich ausgebaut.35
Dieses Schutzkonzept ergibt sich aus der Struktur der §§ 22 f. KUG als Ausprägung des zivilrechdichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Ausgangspunkt ist — wie bisher die Feststellung, dass Personenbildnisse grundsätzlich nur mit Einwilligung verbreitet werden dürfen (§ 22 KUG), Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 I Nr. 1 KUG) bis zur Grenze der entgegenste•henden berechtigten Interessen der Abgebildeten (§ 23 II KUG) aber gestattungsfrei veröffentlicht werden können. Neu am Schutzkonzept ist, dass die widerstreitenden Interessen der abgebildeten Person und der Presse nunmehr bereits auf zweiter Stufe, bei der Zuordnung des Bildnisses zum Bereich der Zeitgeschichte, zu berücksichtigen sind. Hierin liegt eine Abkehr von den früheren Figuren der absoluten und relativen Person der Zeitgeschichte.36 Personen, die auf Grund ihres Status allgemein öffentliches Interesse fanden (absolute Personen der Zeitgeschichte) bzw. im Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich gezogen hatten (relative Personen der Zeitgeschichte) fielen nach früherer Auffassung grundsätzlich unter die Gestattungsfreiheit des § 23 I Nr. 1 KUG.3' Ein Genehmigungserfordernis ließ sich nur über die Rückausnahme der »berechtigten Interessen« begründen. Solche sah die Rechtsprechung aber regelmäßig als nicht verletzt an, wenn prominente Personen bei der Vornahme ganz alltäglicher Handlungen an allgemein zugänglichen Orten gezeigt wurden.38 Nach dem »neuen« Schutzkonzept muss dagegen eine zeitgeschichtliche Bedeutung des konkret veröffentlichten Fotos begründet werden, um den Ausnahmetatbestand des § 23 I Nr. 1 KUG zu eröffnen. Privatfotos Prominenter — ob von Oliver Kahn beim Strandspaziergang39 oder von Prinzessin Caroline im Ses-sellift40 — dokumentieren jedoch in aller Regel kein zeitgeschichtliches Ereignis. Ihre gestattungsfreie Veröffendichung kommt daher nur noch ausnahmsweise in Betracht, wenn — gegebenenfalls unter Einbeziehung der zugehörigen Wortberichterstattung -wenigstens ein mittelbarer Bezug zu einem Ereignis der Zeitgeschichte bejaht werden kann.
Beispiel 3: So hat der BGH die Veröffentlichung von Urlaubsfotos zugelassen, die illustrieren sollten, dass sich Prinzessin Caroline während einer (als zeitgeschichtliches Ereignis angesehenen) Erkrankung des Fürsten von Monaco nicht an dessen Seite, sondern - ganz pflichtvergessen — im Urlaub aufgehalten hatte.41
Auch wenn es prominente »Medienopfer« damit deutlich besser haben als bisher, so schließt die gebotene kontextbezogene Einzelfallabwägung es dennoch aus, ihnen einen prophylaktischen »Rundumschutz« zu gewähren. Scheitern musste daher Franziska v. Almsicks Versuch, die Veröffentlichung von Bildern aus ihrem privaten Alltag durch vorbeugende Unterlassungsklage verbieten zu lassen. Wie der BGH betont, kann die erforderliche Abwägung zwischen Pressefreiheit und Privatsphärenschutz nicht für noch gar nicht existente Bilder vorgenommen werden, bei denen völlig offen ist, in welchem Kontext und mit welcher Wortberichterstattung sie veröffentlicht werden sollen.42
b) Literarische und filmische Werke mit Bezügen zu realen Personen
Problematisch - und zumindest was ihre gerichdiche Austragung angeht im Vordringen befindlich43 - sind ferner Fälle, in denen Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit in Konflikt geraten. Da Künstler ihre Inspiration häufig in der Wirklichkeit finden, sind Berührungen mit dem Persönlichkeitsrecht anderer Personen bei der Schaffung von Roman- oder Filmfiguren nahezu unumgänglich. Ein rechtlich relevanter Konflikt kann daher erst entstehen, wenn eine reale Person als Vorbild nicht nur entschlüssel-, sondern erkennbar ist, wobei Erkennbarkeit für einen mehr oder minder großen Bekanntenkreis genügt.44 Die Erkennbarkeit - im Sinne einer sich für den mit den Umständen vertrauten Leser aufdrängenden Identifizierung45 — ist also eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung.
Wird die Erkennbarkeitshürde überwunden, so ist in eine Einzelfallabwägung einzutreten. Für diese hat das BVerfG in seiner mit Spannung erwarteten Entscheidung im Fall »Esra« nunmehr die maßgeblichen Leitlinien aufgestellt.Beispiel 4: In »Esra« ging es um die Untersagung einer Roman-veröffendichung. Die Klägerinnen des Ausgangsfalls, eine Mutter und Tochter, waren in den Figuren der Laie und Esra auf Grund zahlreicher Identifizierungsmerkmale erkennbar. In Bezug auf Esra enthielt der Roman Schilderungen aus dem Intimbereich, einschließlich eines Abtreibungsversuchs. Die Figur der Laie war sehr negativ gezeichnet.4'''
Nach Auffassung der Senatsmehrheit besteht zwischen dem Maß, in dem der Künstler eine von der Wirklichkeit abgelöste ästhetische Welt schafft und der Intensität der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung eine Wechselbeziehung. Je weniger das fiktionale Abbild gegenüber seinem realen Urbild verfremdet ist, desto gewichtiger ist die Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung. Je stärker besonders geschützte Dimensionen des Persönlichkeitsrechts (insbesondere die Intimsphäre) berührt sind, desto größer muss die Verfremdung sein, um das Persönlichkeitsrecht gegenüber der Kunstfreiheit zurücktreten zu lassen. Gefordert wird zudem eine kunstspezifische Betrachtungsweise: Für ein künstlerisches Werk, das sich als Roman ausweist und keinen Faktizitätsanspruch erhebt, streite eine Vermutung der Fiktionalität, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn hinter den Romanfiguren reale Personen erkennbar sind.4' Unzulässig war es daher, in einer Art Zirkelschluss (wie dies noch der BGH getan hatte), aus der Zusammenschau von (1) Erkennbarkeit der Klägerin in der Figur der Laie und (2) den negativen Zügen dieser Romanfigur eine schwere Persönlichkeits-rechtsverletzung der Klägerin abzuleiten. Eine solche Vorgehensweise würde die Vermutung der Fiktionalität negieren, unterstellte man dem Roman doch gerade, dass alles, was dort über Laie berichtet wird, nicht künstlerische Fiktion, sondern eine detailgetreue Wiedergabe tatsächlicher" Eigenschaften der Klägerin ist. Zur Feststellung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung bedarf es vielmehr einer Entkräftung der Fiktionalitätsvermutung durch den Nachweis, dass der Autor nahelegt, die Schilderung nicht als fiktives, sondern als reales Geschehen aufzufassen.48
Genau umgekehrt urteilte die Mehrheit für die in der Figur der Esra erkennbare Klägerin. Wo es um Darstellungen aus dem Intim- und Sexualbereich geht, greift die Fiktionalitätsvermutung nicht mehr ein. Nach Auffassung der Richter muss es niemand hinnehmen, dass sich der Leser überhaupt Gedanken darüber macht, ob sich die für die Romanfigur geschilderten intimen Geschehnisse auch in der Realität so zugetragen haben.49
Wenn der Senatsmehrheit in den dissentierenden Voten der Vorwurf gemacht wird, ihre Entscheidung führe zu einer »Tabui-sierung des Sexuellen«50 und sei außerdem in sich inkonsistent,51
so erscheint die Berechtigung dieser Kritik zweifelhaft. Zum einen trifft es wohl nicht zu, dass der Autor vor die Wahl gestellt werde, Intimes »entweder nur mit nicht erkennbaren Personen darzustellen oder ... überhaupt nicht zu thematisieren.«52 Zu berücksichtigen ist insoweit, dass es sich bei der in der Figur der Esra erkennbaren Klägerin um eine Person handelte, die der Autor aus eigenem Intimleben kannte. Die Frage, welche sich nach der Senatsmehrheit niemand gefallen lassen muss (»War das wirklich so?«), war für den mit den Umständen vertrauten Leser daher eine durchaus nahe liegende. Weit hergeholt wäre diese Frage dagegen, wenn jeglicher persönliche Bezug fehlt, etwa wenn ein Schriftsteller eine - ihm persönlich unbekannte - Prominente auftreten lässt. In diesem Fall drängt sich die Fiktionalität des Geschilderten geradezu auf, so dass es, bei Lichte betrachtet, einer Fiktio-nztitätsvermutung gar nicht bedarf. Zum anderen erweist sich die Nichtanwendung der Vermutung bei Darstellungen im Intimbereich keineswegs als inkonsequente Halbherzigkeit, sondern passt sich in die herkömmliche Persönlichkeitsrechtsdogmatik -mit ihrer Unterscheidung einer absolut geschützten Intimsphäre, umgeben von Privat- und Sozialsphären minderer Schutzintensität - ohne Weiteres ein. Warum bei Kollisionen zwischen Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht die berührte Sphäre nicht, wie sonst auch, ein zulässiger Anknüpfungspunkt für eine differenzierte Abwägung sein soll, lässt sich kaum begründen.
c) Unautorisierter Einsatz als Werbeträger
Traditionell rigide ist die Rechtsprechung in Fällen, in denen fremde Persönlichkeitsmerkmale ohne Gestattung einer wirtschaftlichen Verwertung zugeführt, insbesondere zu Werbezwecken eingesetzt werden. Solche Verwertungshandlungen sind grundsätzlich auch dann unzulässig, wenn die Persönlichkeit durch sie weder entstellt noch in ihrem Ruf gefährdet wird, der Eingriff also vorrangig kommerzielle (und nicht idelle) Persönlichkeitsinteressen berührt.53 Eine gestattungsfreie Nutzung des »Kommerzialisierungswerts« anderer Personen kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn übergeordnete Gesichtspunke für eine Verwertungsfreiheit streiten, insbesondere wenn — über ein wirtschaftliches Interesse des Verwenders hinaus — ein schutzwürdiges Informationsbedürfnis der Allgemeinheit befriedigt wird.54 Gerade der werbemäßigen Verwendung, die naturgemäß mehr an den Kauf- als an den Informationstrieb des Zielpublikums appelliert, ist eine solche schutzwürdige Zwecksetzung jedoch regelmäßig abzusprechen. Auch die bloß assoziative oder blickfangmäßige Werbung ist daher grundsätzlich nicht frei-gestellt.55 Eine Ausnahme gilt im Bereich der Eigenwerbung der Presse für ihre Erzeugnisse, wobei allerdings die Grenzen dieses »Presseprivilegs« durch das OLG München zuletzt sehr eng verstanden wurden.56
Vermutlich als Antwort auf diese restriktiven Rechtsprechungsgrundsätze bedient sich die Reklamewirtschaft bei der Imagewerbung zunehmend der ironisch-satirischen oder auch provokanten Bezugnahme auf tagesaktuelle Themen, wodurch sich der Abwä-gungsvorgang (da nunmehr auch Fragen der Meinungsfreiheit impliziert sind) verkompliziert.
Beispiel 5: So hatte sich der BGH kürzlich mit der Anzeige eines Autovermieters zu beschäftigen, die Oskar Lafontaine, nach dessen Rücktritt als Finanzminister, mit den übrigen Kabinettsmitgliedern abgebildet hatte. Lafontaines Portrait war durchgestri-chen. Die Bildunterschrift lautete: »S verleast auch Autos für Mitarbeiter in der Probezeit.«5'
Der BGH sieht in diesem satirisch-spöttischen Werbespruch eine auf ein aktuelles politisches Ereignis bezogene Meinungsäußerung
in Form der Satire, die sich, auch wenn sie im Rahmen einer Werbeanzeige erfolgt, auf den besonderen Schutz des Art. 5 11 GG berufen kann und im Streitfall Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz genießt. Interessant und neu ist, dass der BGH die Feststellung des BVerfG, kommerzielle Interessen seien nicht vom Gewährleistungsbereich des (verfassungsrechtlichen) allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfasst, aufgreift und betont, es gehe auf Seiten Lafontaines »nur [um den] Vermögenswerten Bestandteil des Persönlichkeitsrechts,«58 die schutzwürdigeren ideellen Teile seien nicht berührt. Auch die in den Verwerterfällen bislang gängige, ideell-persönlichkeitsrechdich aufgeladene Rhetorik fehlt. So spricht das Gericht nicht mehr — wie sonst so oft — davon, der als Werbeträger Eingesetzte werde »den Geschäftsinteressen Dritter dienstbar gemacht«59 oder »zu eigennützigen und zudem kommerziellen Zwecken ... instrumentalisiert.«60 Die Vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts und das kommerzielle Verwerterinteresse, verstärkt durch den Schutz des Art. 5 GG, werden vielmehr nüchtern und unpathetisch in Rechnung gestellt und als prinzipiell gleichgeartete (wirtschaftliche) Interessen gegeneinander abgewogen.61 Hierin liegt eine, in der obergerichdichen Rechtsprechung bereits vorgezeichnete62 Neu-tarierung des Abwägungsprozesses, welche auf einen durch die Entscheidung des BVerfG motivierten Rückbau des zivilrechtlichen kommerziellen Persönlichkeitsschutzes hinweisen dürfte. Die Botschaft der Entscheidung an Reklameunternehmen und an prominente Persönlichkeiten lautet jedenfalls, dass das »Einstreuen« parodierender Anspielungen in der Werbung künftig nicht mehr als per se unzulässig behandelt, sondern einer Einzel-fallbetrachtung unterzogen werden wird.63 Maßgeblich dafür, ob dem Vermögenswerten Bestandteil des Persönlichkeitsrechts oder der Rechtsposition des Werbetreibenden größeres Gewicht beizumessen ist, kann sein, ob nur der Aufmerksamkeitswert des Persönlichkeitsrechtsinhabers genutzt wird (sog. Blickfangwerbung) oder ob — darüber hinausgehend — der unzutreffende Eindruck entsteht, der Dargestellte empfehle das beworbene Produkt (sog. endorsement)," Letzteres dürfte auch bei satirisch-pointierter Einkleidung der Werbebotschaft nach wie vor unzulässig sein. So wäre der Fall »Lafontaine« vermutlich anders zu entscheiden gewesen, wenn die Bildunterschrift (»S verleast auch Autos für Mitarbeiter in der Probezeit«) Oskar Lafontaine mittels einer Sprechblase als eigene Aussage zugeordnet worden wäre, da hierdurch der unzutreffende Eindruck einer persönlichen Identifikation Lafontaines mit den Leistungen des Autovermieters hätte hervorgerufen werden können.
III. Rechtsfolgen
Liegt eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, stellt sich die Frage nach den rechtlichen Konsequenzen. In Betracht kommen vor allem (verschuldensunabhängige) Ansprüche auf Unterlassungund Widerruf (§ 1004 BGB analog) sowie (verschuldensabhängige) Ansprüche auf Schadensersatz (§ 823 I BGB, § 823 II BGB
i.V.m. §§ 22 f. KUG, §§ 185 ff StGB). Gegenüber unzutreffenden Tatsachenbehauptungen durch Massenmedien kann dem Betroffenen außerdem ein medienrechtlicher Anspruch auf Gegendarstellung zustehen, dessen Einzelheiten sich nach Landespresserecht richten.65 Im Rahmen des Widerrufsanspruchs analog § 1004 I 1 BGB ist zu beachten, dass dieser die Fortwirkung erwiesen unwahrer Tatsachen voraussetzt, da aus verfassungsrechtlichen Gründen niemand gezwungen werden kann, seiner subjektiven Meinung öffentlich abzuschwören oder etwas als unrichtig hinzustellen, was womöglich wahr ist.66 Im Gegensatz zum Widerrufsanspruch kann sich der Unterlassungsanspruch auch gegen drohende Werturteile und gegen zweifel-hafte Tatsachenbehauptungen richten.6'
Macht der Betroffene Schadensersatzansprüche geltend, so ist bei der Schadensberechnung nach dem betroffenen Ausschnitt des Persönlichkeitsrechts zu unterscheiden.
1. Schadensersatz bei der Verletzung ideeller Persönlichkeitsinteressen
Führt die Beeinträchtigung ideeller Interessen zu einem materiellen Schaden (z.B. Verdienstausfall infolge Kündigung), so ist dieser ohne Besonderheiten gem. § 823 I i.V.m. §§249 ff. BGB zu ersetzen. Für immaterielle Schäden wird eine geldwerte Entschädigung nur gewährt, wenn die besondere Schwere des Eingriffs eine solche Entschädigung erfordert und die erlittene Beeinträchtigung nicht in anderer Weise - etwa durch Widerruf - ausgeglichen werden kann.68
Anspruchsgrundlage ist nicht der klassische Schmerzensgeldanspruch aus § 253 II BGB, sondern unmittelbar §823 I BGB i.V.m. dem in Art. 1,2 1 GG verankerten Schutzauftrag.69 Die Geldentschädigung dient der Genugtuung und der Prävention und bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beteiligten, dem Verschuldensgrad und der Intensität der Persönlichkeitsbeeinträchtigung.70 Der Tochter im Fall »Esra« etwa wurden für die Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts 50.000 Euro zugesprochen.71
2.Schadensersatz bei der Verletzung kommerzieller Persönlichkeitsinteressen
Anders als die Beeinträchtigung ideeller Belange führt ein Eingriff in den kommerziellen Gehalt des Persönlichkeitsrechts regelmäßig zu einem Vermögensschaden und daher unabhängig von der Eingriffsintensität zu einem Anspruch auf Geldersatz.'2 Dem Persönlichkeitsrechtsinhaber stehen dabei - nach immaterialgüterrechtlichem Vorbild — drei Methoden der Schadensberechnung zur Verfügung: Er kann den Schaden nach den allgemeinen Regeln der §§ 249 ff. BGB konkret bestimmen, einen abstrakten Wertausgleich verlangen, der sich an der für die Nutzungshandlung hypothetisch zu erzielenden Lizenzgebühr orientiert (sog. Lizenzanalogie) oder den Verletzergewinn herausverlangen.'3 Neben deliktsrechtlichen Ansprüchen kommen Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag'4 und aus Eingriffskondiktion'5 in Betracht. Lange umstritten war die Frage, ob dem Persönlichkeitsrechtsinhaber auch dann ein Schadensersatzanspruch zusteht, wenn er nicht bereit oder nicht in der Lage gewesen wäre, eine Nützung seiner Identitätsmerkmale zu gestatten. In der früheren Recht-sprechung wurde bei nicht vermarktungswilligen Klägern'ein materieller Schadensersatzanspruch mit der Begründung verneint, dass es ohne Vermarktungsbereitschaft an einem Vermögensschaden fehle.'6 Allerdings konnte der Anspruch nach der herrschenden Literaturansicht'' auf § 812 I 1 2. Alt. BGB gestützt werden,
da für den Kondiktionsanspruch nur ein Eingriffserwerb des Verletzers, nicht aber ein Schaden des Verletzten erforderlich sei und marktgängigen Persönlichkeitsbestandteilen - unabhängig von einer konkreten Vermarktungsbereitschaft - ein vermögenswerter Zuweisungsgehalt eigne.'8 In Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung bejaht der BGH nunmehr sowohl den Schadens-ersatz- als auch den Bereicherungsanspruch unabhängig davon, ob der Persönlichkeitsrechtsinhaber bereit und in der Lage gewesen wäre, eine Nutzung seiner Persönlichkeitsmerkmale zu gestat-ten.'5 Die Begründung des Gerichts ist knapp, aber im Ergebnis überzeugend: Wer die Persönlichkeitsmerkmale eines Dritten unberechtigt ausnutzt, zeigt damit gerade, dass er ihnen einen wirtschaftlichen Wert beimisst. An dieser vermögensrechtlichen Zuordnung muss er sich festhalten lassen.80
C. DER POSTMORTALE ZIVILRECHTLICHE PERSÖNLICHKEITSSCHUTZ
I. Fortbestehender Persönlichkeitsschutz
Der Schutz der Persönlichkeit erlischt nicht mit dem Tod ihres Trägers.. Zwar endet mit dem Tod das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 I GG), da »Entfaltung« schon begrifflich eine handlungsfähige Person, also einen lebenden Menschen, voraussetzt. Aus Art. 1 GG folgt jedoch, dass der Verstorbene auch posthum nicht in seiner Würde verletzt werden darf.81 Dieser Verfassungsauftrag wird in erster Linie durch das über den Tod hinaus fortbestehende allgemeine Persönlichkeitsrecht verwirklicht. Auch das Recht am eigenen Bild wirkt postmortal fort (§22 Satz 3 KUG). Dagegen erlischt das in § 12 BGB als besonderes Persönlichkeitsrecht normierte Namensrecht mit dem Tod des Namensträgers. Nach Auffassung des BGH kann ein Toter nicht mehr Rechtssubjekt und daher nicht mehr Träger des Namensrechts sein. Postmortal verwirklicht sich der Namensschutz also ausschließlich im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
II.Inhaber der Bestandteile nach dem Tod des Rechts-
trägers
Die bereits im Rahmen des lebzeitigen Persönlichkeitsschutzes stets präsente Differenzierung zwischen ideellen und kommerziellen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts tritt im Rahmen des postmortalen Schutzes noch deutlicher zutage. Die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts sind höchstpersönlich, d.h. unauflöslich an die Person ihres Trägers gebunden: Sie sind daher zu Lebzeiten unveräußerlich und im Todesfall nicht vererblich.83 Die kommerziellen Bestandteile dagegen sind zumindest teilweise von der Person abgelöste, Vermögenswerte Rechte. Sie können deshalb mit dem Tod des Persönlichkeitsrechtsinhabers im Erbgang übergehen.84 Dieser postmortalen Abspaltung des kommerziellen vom ideellen Persönlichkeitsrecht korrespondiert häufig85 ein Auseinanderfallen der Aktivlegitimation. Während die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nach dem Tod des Trägers treuhänderisch von dessen Angehörigen als Wahrnehmungsberechtigten wahrgenommen werden, stehen die Vermögenswerten Bestandteile den Erben des Verstorbenen zu.86 Die Rechtsmacht der Erben über die auf sie übergegangenen Bestandteile ist jedoch ebenfalls gebunden. Die kommerziellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts dürfen weder gegen den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen eingesetzt noch zur Steuerung der öffentlichen Auseinandersetzung mit dessen Leben und Werk missbraucht werden.8'
III.Dauer des postmortalen Persönlichkeitsschutzes
Der postmortale Persönlichkeitsschutz unterliegt zeidichen Grenzen. Die in § 22 Satz 3 KUG für das Recht am eigenen Bild enthaltene Zehnjahresfrist ist für das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht unmittelbar einschlägig, und in der Rechtsprechung ist seit jeher anerkannt, dass der Schutz ideeller Persönlichkeitsinteressen die Zehnjahresfrist erheblich überschreiten kann. Der postmortale ideelle Persönlichkeitsschutz ist nicht starr befristet, sondern schwindet in dem Maße, in dem die Erinnerung an den Verstorbenen verblasst.88
Die postmortale Schutzfrist für kommerzielle Persönlichkeitsinteressen war lange Zeit umstritten. In der Literatur schwankten die für angemessen gehaltenen Schutzfristen zwischen 30 und '0 Jahren post mortem,89 während der BGH bislang eine akzessori-sche Bindung der Schutzdauer an das Fortbestehen ideeller Interessen favorisiert hatte.90 Von diesem Standpunkt ist der /. Zivilsenat jedoch mittlerweile abgekommen und spricht sich nunmehr für eine Übertragung der starren Zehnjahresfrist des § 22 Satz 3 KUG auf den Schutz der Vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus.91 Zur Begründung beruft sich der BGH auf das Gebot der Rechtssicherheit sowie auf den Umstand, dass »das Persönlichkeitsbild einer zu Lebzeiten sehr bekannten Person ... nach ihrem Tod auch Teil der gemeinsamen Geschichte«92 ist. Bedeutung hat die Entscheidung in erster Linie für die rein kommerzielle Persönlichkeitsverwertung ohne kommunikatives Anliegen oder tagesaktuellen Bezug.93 Diese ist zehn Jahre post mortem grundsätzlich hinzunehmen, ohne dass die Erben finanziell am Ertrag partizipieren können, sofern nur die Verwertung die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nicht verletzt. Eine unangemessene Benachteiligung der Erben liegt in dieser zeitlichen Beschränkung des postmortalen kommerziellen Persönlichkeitsschutzes nicht: Richtungsweisend ist wiederum die Aussage des BVerfG, das (verfassungsrechtliche) all gemeine Persönlichkeitsrecht sei nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der Person gewährleistet.94 Sinn und Zweck des aus Art: 1 GG abgeleiteten postmortalen Persönlichkeitsrechts ist also nicht, den Erben ein kommerzielles Verwertungsrecht zukommen zu. lassen.95 Soweit sich aus der zeitlichen Beschränkung
des postmortalen kommerziellen Persönlichkeitsrechts Schutzlücken im Hinblick auf ideelle Persönlichkeitsinteressen erge-ben,96 wäre diesen Lücken richtigerweise durch eine Verbesserung des ideellen postmortalen Persönlichkeitsschutzes zu begegnen.9'
IV. Rechtsfolgen einer postmortalen Persönlichkeitsrechtsverletzung
Nach gefestigter Rechtsprechung stehen den Wahrnehmungs-berechtigten bei einer postmortalen Verletzung der ideellen Be-standteile des Persönlichkeitsrechts nur Abwehransprüche, nicht aber Entschädigungsansprüche zu.98 Bei der Zubilligung einer Geldentschädigung für schwere Persönlichkeitsrechtsverletzungen, so der BGH, stehe regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung für das Opfer im Vordergrund. Einem Toten könne jedoch keine Genugtuung mehr verschafft werden.99 Auch der Präventionsgedanke vermag nach Ansicht des BGH die Gewährung einer Geldentschädigung nach dem Tod einer Person nicht zu tragen. Eine nähere Begründung für diese These bietet der BGH allerdings nicht. Das Gericht postuliert lediglich, der Entschädigungsanspruch stehe nur dem Persönlichkeitsrechtsinhaber und nur zu dessen Lebzeiten zu.100 Ob im Hinblick auf Art. 1 GG nicht effektivere Sanktionen zur Durchsetzung des über den Tod hinaus fortwirkenden Achtungsanspruchs erforderlich sind als bloße Abwehransprüche101 — die naturgemäß wenig nützen, wenn die Rechtsverletzung bereits beendet ist, bevor der An-spruchsberechtigte von ihr Kenntnis erlangt - wird letztlich das BVerfG zu klären haben.
Bei postmortalen Eingriffen in das kommerzielle Persönlichkeitsrecht ist die Rechtslage anders. Innerhalb der postmortalen Schutzfrist für Vermögenswerte Persönlichkeitsinteressen und unter Wahrung der mutmaßlichen Interessen des verstorbenen Per-sönlichkeitsrechtsinhabers können dessen Erben gegen die unau-torisierte Nutzung des ihnen zugewiesenen Vermögenswerts vorgehen. Ihnen stehen dabei die gleichen Abwehr-, Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche zu Gebote wie zu Lebzeiten dem Persönlichkeitsrechtsinhaber.102
D. RESÜMEE
Die neuere Rechtsprechung ist gekennzeichnet von dem Bestreben, die ideelle und die kommerzielle Seite des weiterhin formal alsEinheitsrecht behandelten allgemeinen Persönlichkeitsrechts inhaltlich auszudifferenzieren. Während dabei für die ideelle Seite, insbesondere im Hinblick auf den Privatsphärenschutz Prominenter, eine Anhebung des Schutzniveaus zu verzeichnen ist, scheint der kommerzielle Persönlichkeitsschutz derzeit im Rückzug begriffen. Trotz dieser sich abzeichnenden Entwicklungstendenzen sollte nicht vergessen werden, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht eine dynamische Materie ist. Die Rechtsprechung hierzu ist deshalb von Studenten, insbesondere von Examenskandidaten, im Auge zu behalten.
Folge dieser hohen praktischen Bedeutung und Vielgestaltigkeit ist eine unmittelbare Prüfungs- und Examensrelevanz.6 Bei der Fallbearbeitung bereiten der generalklauselartige Charakter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als so genanntes »Rahmenrecht« und die nahezu unübersehbare Kasuistik allerdings häufig Schwierigkeiten. Der folgende Beitrag nimmt Bedeutung und Komplexität des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zum Anlass, um weitgehend anhand von Fall-beispielen aus der neueren Rechtsprechung die Grundstruktuten des lebzeitigen (B.) sowie des postmortalen (C.) Persönlichkeitsschutzes zu erläutern. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt dabei auf den Besonderheiten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Vergleich mit den übrigen von § 823 I BGB geschützten Rechtsgütern, welche es bei der klausurmäßigen Bearbeitung persönlichkeitsrechtlicher Fallgestaltungen zu beachten gilt. Der Beitrag schließt mit einem Resümee der sich in der Rechtsptechung abzeichnenden Entwicklungstendenzen (D.).
B. DER ZIVILRECHTLICHE PERSÖNLICHKEITSSCHUTZ VOR DEM TODE
I. Vorprüfung
1.Verhältnis zu den besonderen Persönlichkeitsrechten
Bestimmte Ausschnitte der Persönlichkeit, insbesondere der Name und das Bildnis, haben als so genannte besondere Persönlichkeitsrechte in gesetzlich normierten Regelungen (§ 12 BGB bzw. §§ 22 f. KUG) ihren Niederschlag gefunden.' Nach inzwischen herrschendem Verständnis8 kommt diesen besonderen Persönlichkeitstechten jedoch keine abschließende, das allgemeine Persönlichkeitsrecht verdrängende Wirkung zu.9 Vielmehr greift det allgemeine Persönlichkeitsschutz unabhängig davon ein, ob zugleich ein besonderes Per-sönlichkeitsrecht anwendbar ist oder nicht. Allerdings empfiehlt es sich, soweit sich allgemeines und besonderes Persönlichkeitsrecht überschneiden, nach dem Grundsatz der Spezialität bei der Falllösung mit dem besonderen Recht zu beginnen. Gänzlich eigenständige Bedeutung im Bereich des Namens- und des Bildnisschutzes kommt dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht bei der (von § 12 BGB nicht erfassten) bloßen Namensnennung und - »im Vorfeld« der §§ 22 f. KUG - bei der Herstellung von Bildern zu."
2.Rechtsträger
Träger des Persönlichkeitsrechts sind alle natürlichen Personen, einschließlich des nasciturus mit Vollendung der Geburt.11 Auch Verbände und Personenmehrheiten sind vom Schutzbereich erfasst, soweit das allgemeine Persönlichkeitsrecht sinngemäß auf sie anwendbar ist.12 Dies ist etwa für den Schutz des sozialen Geltungsanspruchs eines Wirtschaftsunternehmens eindeutig zu be-jahen.13 Dagegen scheidet ein Schutz der Intimsphäre eines Verbandes denknotwendig aus.14
Aktivlegitimiert ist immer nur der unmittelbar Verletzte, nicht aber derjenige, der von den Fernwirkungen eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht eines anderen lediglich mittelbar belastet wird. Dies sei illustriert an folgendem
Beispiel 1: Die Mutter des Klägers wurde von dessen Schwester erschlagen. Ein Kamerateam filmte den teils entkleideten Leichnam der Mutter zunächst im Haus umd später im Obduktionssaal und strahlte die Aufnahmen im Rahmen einer Fernsehberichterstattung aus. Stehen dem Kläger Ansprüche wegen einer Verletzung seines eigenen Persönlichkeitsrechts zu, wenn er in dem Fernsehbericht weder gezeigt noch erwähnt wurde?15
Eine hier möglicherweise gegebene Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts der Mutter stellt für sich genommen noch keinen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Zwar mag sich dieser, auf Grund seiner engen Beziehung zur Dargestellten, durch den Fernsehbericht persönlich betroffen fühlen. In einer solchen Reflexwirkung, die allein auf familiäre Verbundenheit mit der in das Licht der Offendichkeit gerückten Person zurückgeht, liegt jedoch keine eigenständige Persönlichkeitsrechtsverletzung des Angehörigen.1' Anders wäre zu entscheiden, wenn der Kläger selbst zum Inhalt der Darstellung gemacht worden wäre, insbesondere wenn der Bericht nahegelegt hätte, der Kläger sei für die Familientragödie verantwortlich.1' In diesem Fall wäre der -für eine Rechtsverletzung erforderliche unmittelbate Bezug zur eigenen Persönlichkeitssphäre des Klägers zu bejahen.
II. Haftungsbegründung
Die Prüfung, ob eine bestimmte Handlung das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt, hat zwischen Eingriff in den Schutz bereich, positiver Feststellung der Rechtswidrigkeit des Eingriffs und Pflichtwidrigkeit bzw. Verschulden zu unterscheiden.18 Abweichungen zur »klassischen« Anspruchsprüfung im Rahmen von § 823 I BGB ergeben sich bei der Definition des Schutzbereichs und bei der Feststellung der Rechtswidrigkeit, weshalb auf diese Punkte im Folgenden näher eingegangen werden soll.
1. Schutzbereich
Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts lässt sich nicht exakt definieren oder gar auf eine subsumtionsfähige Formel bringen. Es handelt sich um einen »entwicklungsoffenen« Tatbestand, welcher auf die mit der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung einhergehenden, neuartigen Gefährdungen für die Persönlichkeit mit der Ausbildung immer neuer Schutzpositionen reagiert.19 Die überbordende Judikatur lässt sich allenfalls schablonenhaft in Fallgruppen einteilen.20 So schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht anerkanntermaßen vor Herabwürdigung und Verfälschung des Lebens und Charakterbildes (etwa durch ein technisch manipuliertes Foto oder ein frei erfundenes Interview),21 vor dem Eindringen in die persönliche Sphäre (zu denken wäre an unbefugte Bildaufnahmen oder heimliche Vaterschaftstests),22 vor Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentfaltung (z.B. durch permanente telefonische Nachstellungen)23 und vor unbefugter Kommerzialisierung (insbesondere durch den unautorisierten Einsatz als Werbeträger).24
Die grundlegendste Aufteilung des Schutzbereichs ist jedoch die Differenzierung zwischen dem Schutz ideeller und dem Schutz kommerzieller Persönlichkeitsinteressen.25 Merkmalen der Persönlichkeit, wie Bild, Name oder Stimme, kann ein beträchtlicher wirtschaftlicher Wert zukommen, der im Allgemeinen auf Bekanntheit und oder öffentlichem Ansehen beruht. Nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte dient das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch dem Schutz dieser Vermögenswerten Interessen der Person.26 As Eingriffe in den Schutzbereich sind daher auch solche Handlungen zu werten, die sich, ohne die Persönlichkeit zu entstellen oder sie in ihrem Ruf zu gefährden, lediglich den ihr innewohnenden Wirtschaftswert zu Eigen machen. Aus dieser Doppelspurigkeit des Schutzes folgt zugleich, dass ein und dieselbe Handlung sowohl ideelle als auch kommerzielle Persönlichkeitsinteressen tangieren kann.
Beispiel 2: Die unbefugte Veröffentlichung von Fotos aus dem Bereich des Privatlebens Prominenter durch die Boulevardpresse etwa betrifft einerseits ein ideelles Interesse der betroffenen Personen, sich etwas Privatheit und Anonymität zu bewahren, andererseits aber auch ein (potenzielles) kommerzielles Interesse, aus der entgeltlichen Gestattung der Verwertung finanziellen Nutzen zu ziehen.
Bei der Falllösung sollte man bereits im Rahmen des Gliederungspunkts »Eingriff in den Schutzbereich« die konkret tangierten Persönlichkeitssegmente genau herausarbeiten, zumal der Unterscheidung zwischen ideellen und kommerziellen Persönlichkeitsinteressen für die weitere Prüfung weichenstellende Bedeutung zukommt. Dies gilt zwar in erster Linie für die Rechtsfolgenseite,2' ist aber bereits auf Ebene des Tatbestands und der dort vorzunehmenden Interessenabwägung zu beachten.28 Denn anders als der Schutz ideeller Belange kann sich der zivilrechtliche Schutz kommerzieller Persönlichkeitsinteressen nicht auf eine verfassungsrechtliche Ableitung aus Art. 1,2 1 GG berufen. Das hat das BVerfG klargestellt.29
2. Positive Feststellung der Rechtswidrigkeit
Der Charakter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als dynamisches Rahmenrecht ohne feste Konturen schließt es aus, dassein Eingriff in den Schutzbereich zugleich die Rechtswidrigkeit des Eingriffs indiziert.30 Erforderlich ist vielmehr eine positive Feststellung der Rechtswidrigkeit durch eine umfassende Abwägung der im konkreten Einzelfall betroffenen Güter und Interessen des Persönlichkeitsrechtsinhabers, des Eingreifenden und der Öffentlichkeit.31 Dabei sind auf Seiten des Geschädigten etwa die Intensität der Persönlichkeitsbeeinträchtigung sowie das eigene Verhalten des Verletzten vor dem Eingriff zu berücksichtigen.32 Auf der anderen Seite der Waagschale sind dagegen Grundrechte des Eingreifenden (insbesondere die Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 GG) und schutzwürdige Informationsinteressen der Allgemeinheit in Ansatz zu bringen.33 Beispielhaft lässt sich die vorzunehmende Interessenabwägung anhand von drei Fallgruppen illustrieren, welche die Zivilgerichte in der jüngeren Vergangenheit gleich mehrfach beschäftigt haben.
a) Privatfotos Prominenter
Ein klassisches Konfliktfeld zwischen Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit liefert die Bildberichterstattung der Boulevardpresse mit ihrem Hang zur Beschäftigung mit dem Privadeben Prominenter. Unter dem Einfluss der Entscheidung des EGMR »von Hannover/Deutschland« aus dem Jahr 2004, die der deutschen Rechtsprechung einen ungenügenden Privatsphärenschutz bescheinigt hatte,34 hat sich der BGH 200' in sechs taggleich verkündeten Entscheidungen über Klagen der Eheleute von Hannover für ein neues »abgestuftes Schutzkonzept« entschieden und den Persönlichkeitsschutz zu Lasten der Pressefreiheit deudich ausgebaut.35
Dieses Schutzkonzept ergibt sich aus der Struktur der §§ 22 f. KUG als Ausprägung des zivilrechdichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Ausgangspunkt ist — wie bisher die Feststellung, dass Personenbildnisse grundsätzlich nur mit Einwilligung verbreitet werden dürfen (§ 22 KUG), Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 I Nr. 1 KUG) bis zur Grenze der entgegenste•henden berechtigten Interessen der Abgebildeten (§ 23 II KUG) aber gestattungsfrei veröffentlicht werden können. Neu am Schutzkonzept ist, dass die widerstreitenden Interessen der abgebildeten Person und der Presse nunmehr bereits auf zweiter Stufe, bei der Zuordnung des Bildnisses zum Bereich der Zeitgeschichte, zu berücksichtigen sind. Hierin liegt eine Abkehr von den früheren Figuren der absoluten und relativen Person der Zeitgeschichte.36 Personen, die auf Grund ihres Status allgemein öffentliches Interesse fanden (absolute Personen der Zeitgeschichte) bzw. im Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich gezogen hatten (relative Personen der Zeitgeschichte) fielen nach früherer Auffassung grundsätzlich unter die Gestattungsfreiheit des § 23 I Nr. 1 KUG.3' Ein Genehmigungserfordernis ließ sich nur über die Rückausnahme der »berechtigten Interessen« begründen. Solche sah die Rechtsprechung aber regelmäßig als nicht verletzt an, wenn prominente Personen bei der Vornahme ganz alltäglicher Handlungen an allgemein zugänglichen Orten gezeigt wurden.38 Nach dem »neuen« Schutzkonzept muss dagegen eine zeitgeschichtliche Bedeutung des konkret veröffentlichten Fotos begründet werden, um den Ausnahmetatbestand des § 23 I Nr. 1 KUG zu eröffnen. Privatfotos Prominenter — ob von Oliver Kahn beim Strandspaziergang39 oder von Prinzessin Caroline im Ses-sellift40 — dokumentieren jedoch in aller Regel kein zeitgeschichtliches Ereignis. Ihre gestattungsfreie Veröffendichung kommt daher nur noch ausnahmsweise in Betracht, wenn — gegebenenfalls unter Einbeziehung der zugehörigen Wortberichterstattung -wenigstens ein mittelbarer Bezug zu einem Ereignis der Zeitgeschichte bejaht werden kann.
Beispiel 3: So hat der BGH die Veröffentlichung von Urlaubsfotos zugelassen, die illustrieren sollten, dass sich Prinzessin Caroline während einer (als zeitgeschichtliches Ereignis angesehenen) Erkrankung des Fürsten von Monaco nicht an dessen Seite, sondern - ganz pflichtvergessen — im Urlaub aufgehalten hatte.41
Auch wenn es prominente »Medienopfer« damit deutlich besser haben als bisher, so schließt die gebotene kontextbezogene Einzelfallabwägung es dennoch aus, ihnen einen prophylaktischen »Rundumschutz« zu gewähren. Scheitern musste daher Franziska v. Almsicks Versuch, die Veröffentlichung von Bildern aus ihrem privaten Alltag durch vorbeugende Unterlassungsklage verbieten zu lassen. Wie der BGH betont, kann die erforderliche Abwägung zwischen Pressefreiheit und Privatsphärenschutz nicht für noch gar nicht existente Bilder vorgenommen werden, bei denen völlig offen ist, in welchem Kontext und mit welcher Wortberichterstattung sie veröffentlicht werden sollen.42
b) Literarische und filmische Werke mit Bezügen zu realen Personen
Problematisch - und zumindest was ihre gerichdiche Austragung angeht im Vordringen befindlich43 - sind ferner Fälle, in denen Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit in Konflikt geraten. Da Künstler ihre Inspiration häufig in der Wirklichkeit finden, sind Berührungen mit dem Persönlichkeitsrecht anderer Personen bei der Schaffung von Roman- oder Filmfiguren nahezu unumgänglich. Ein rechtlich relevanter Konflikt kann daher erst entstehen, wenn eine reale Person als Vorbild nicht nur entschlüssel-, sondern erkennbar ist, wobei Erkennbarkeit für einen mehr oder minder großen Bekanntenkreis genügt.44 Die Erkennbarkeit - im Sinne einer sich für den mit den Umständen vertrauten Leser aufdrängenden Identifizierung45 — ist also eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung.
Wird die Erkennbarkeitshürde überwunden, so ist in eine Einzelfallabwägung einzutreten. Für diese hat das BVerfG in seiner mit Spannung erwarteten Entscheidung im Fall »Esra« nunmehr die maßgeblichen Leitlinien aufgestellt.Beispiel 4: In »Esra« ging es um die Untersagung einer Roman-veröffendichung. Die Klägerinnen des Ausgangsfalls, eine Mutter und Tochter, waren in den Figuren der Laie und Esra auf Grund zahlreicher Identifizierungsmerkmale erkennbar. In Bezug auf Esra enthielt der Roman Schilderungen aus dem Intimbereich, einschließlich eines Abtreibungsversuchs. Die Figur der Laie war sehr negativ gezeichnet.4'''
Nach Auffassung der Senatsmehrheit besteht zwischen dem Maß, in dem der Künstler eine von der Wirklichkeit abgelöste ästhetische Welt schafft und der Intensität der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung eine Wechselbeziehung. Je weniger das fiktionale Abbild gegenüber seinem realen Urbild verfremdet ist, desto gewichtiger ist die Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung. Je stärker besonders geschützte Dimensionen des Persönlichkeitsrechts (insbesondere die Intimsphäre) berührt sind, desto größer muss die Verfremdung sein, um das Persönlichkeitsrecht gegenüber der Kunstfreiheit zurücktreten zu lassen. Gefordert wird zudem eine kunstspezifische Betrachtungsweise: Für ein künstlerisches Werk, das sich als Roman ausweist und keinen Faktizitätsanspruch erhebt, streite eine Vermutung der Fiktionalität, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn hinter den Romanfiguren reale Personen erkennbar sind.4' Unzulässig war es daher, in einer Art Zirkelschluss (wie dies noch der BGH getan hatte), aus der Zusammenschau von (1) Erkennbarkeit der Klägerin in der Figur der Laie und (2) den negativen Zügen dieser Romanfigur eine schwere Persönlichkeits-rechtsverletzung der Klägerin abzuleiten. Eine solche Vorgehensweise würde die Vermutung der Fiktionalität negieren, unterstellte man dem Roman doch gerade, dass alles, was dort über Laie berichtet wird, nicht künstlerische Fiktion, sondern eine detailgetreue Wiedergabe tatsächlicher" Eigenschaften der Klägerin ist. Zur Feststellung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung bedarf es vielmehr einer Entkräftung der Fiktionalitätsvermutung durch den Nachweis, dass der Autor nahelegt, die Schilderung nicht als fiktives, sondern als reales Geschehen aufzufassen.48
Genau umgekehrt urteilte die Mehrheit für die in der Figur der Esra erkennbare Klägerin. Wo es um Darstellungen aus dem Intim- und Sexualbereich geht, greift die Fiktionalitätsvermutung nicht mehr ein. Nach Auffassung der Richter muss es niemand hinnehmen, dass sich der Leser überhaupt Gedanken darüber macht, ob sich die für die Romanfigur geschilderten intimen Geschehnisse auch in der Realität so zugetragen haben.49
Wenn der Senatsmehrheit in den dissentierenden Voten der Vorwurf gemacht wird, ihre Entscheidung führe zu einer »Tabui-sierung des Sexuellen«50 und sei außerdem in sich inkonsistent,51
so erscheint die Berechtigung dieser Kritik zweifelhaft. Zum einen trifft es wohl nicht zu, dass der Autor vor die Wahl gestellt werde, Intimes »entweder nur mit nicht erkennbaren Personen darzustellen oder ... überhaupt nicht zu thematisieren.«52 Zu berücksichtigen ist insoweit, dass es sich bei der in der Figur der Esra erkennbaren Klägerin um eine Person handelte, die der Autor aus eigenem Intimleben kannte. Die Frage, welche sich nach der Senatsmehrheit niemand gefallen lassen muss (»War das wirklich so?«), war für den mit den Umständen vertrauten Leser daher eine durchaus nahe liegende. Weit hergeholt wäre diese Frage dagegen, wenn jeglicher persönliche Bezug fehlt, etwa wenn ein Schriftsteller eine - ihm persönlich unbekannte - Prominente auftreten lässt. In diesem Fall drängt sich die Fiktionalität des Geschilderten geradezu auf, so dass es, bei Lichte betrachtet, einer Fiktio-nztitätsvermutung gar nicht bedarf. Zum anderen erweist sich die Nichtanwendung der Vermutung bei Darstellungen im Intimbereich keineswegs als inkonsequente Halbherzigkeit, sondern passt sich in die herkömmliche Persönlichkeitsrechtsdogmatik -mit ihrer Unterscheidung einer absolut geschützten Intimsphäre, umgeben von Privat- und Sozialsphären minderer Schutzintensität - ohne Weiteres ein. Warum bei Kollisionen zwischen Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht die berührte Sphäre nicht, wie sonst auch, ein zulässiger Anknüpfungspunkt für eine differenzierte Abwägung sein soll, lässt sich kaum begründen.
c) Unautorisierter Einsatz als Werbeträger
Traditionell rigide ist die Rechtsprechung in Fällen, in denen fremde Persönlichkeitsmerkmale ohne Gestattung einer wirtschaftlichen Verwertung zugeführt, insbesondere zu Werbezwecken eingesetzt werden. Solche Verwertungshandlungen sind grundsätzlich auch dann unzulässig, wenn die Persönlichkeit durch sie weder entstellt noch in ihrem Ruf gefährdet wird, der Eingriff also vorrangig kommerzielle (und nicht idelle) Persönlichkeitsinteressen berührt.53 Eine gestattungsfreie Nutzung des »Kommerzialisierungswerts« anderer Personen kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn übergeordnete Gesichtspunke für eine Verwertungsfreiheit streiten, insbesondere wenn — über ein wirtschaftliches Interesse des Verwenders hinaus — ein schutzwürdiges Informationsbedürfnis der Allgemeinheit befriedigt wird.54 Gerade der werbemäßigen Verwendung, die naturgemäß mehr an den Kauf- als an den Informationstrieb des Zielpublikums appelliert, ist eine solche schutzwürdige Zwecksetzung jedoch regelmäßig abzusprechen. Auch die bloß assoziative oder blickfangmäßige Werbung ist daher grundsätzlich nicht frei-gestellt.55 Eine Ausnahme gilt im Bereich der Eigenwerbung der Presse für ihre Erzeugnisse, wobei allerdings die Grenzen dieses »Presseprivilegs« durch das OLG München zuletzt sehr eng verstanden wurden.56
Vermutlich als Antwort auf diese restriktiven Rechtsprechungsgrundsätze bedient sich die Reklamewirtschaft bei der Imagewerbung zunehmend der ironisch-satirischen oder auch provokanten Bezugnahme auf tagesaktuelle Themen, wodurch sich der Abwä-gungsvorgang (da nunmehr auch Fragen der Meinungsfreiheit impliziert sind) verkompliziert.
Beispiel 5: So hatte sich der BGH kürzlich mit der Anzeige eines Autovermieters zu beschäftigen, die Oskar Lafontaine, nach dessen Rücktritt als Finanzminister, mit den übrigen Kabinettsmitgliedern abgebildet hatte. Lafontaines Portrait war durchgestri-chen. Die Bildunterschrift lautete: »S verleast auch Autos für Mitarbeiter in der Probezeit.«5'
Der BGH sieht in diesem satirisch-spöttischen Werbespruch eine auf ein aktuelles politisches Ereignis bezogene Meinungsäußerung
in Form der Satire, die sich, auch wenn sie im Rahmen einer Werbeanzeige erfolgt, auf den besonderen Schutz des Art. 5 11 GG berufen kann und im Streitfall Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz genießt. Interessant und neu ist, dass der BGH die Feststellung des BVerfG, kommerzielle Interessen seien nicht vom Gewährleistungsbereich des (verfassungsrechtlichen) allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfasst, aufgreift und betont, es gehe auf Seiten Lafontaines »nur [um den] Vermögenswerten Bestandteil des Persönlichkeitsrechts,«58 die schutzwürdigeren ideellen Teile seien nicht berührt. Auch die in den Verwerterfällen bislang gängige, ideell-persönlichkeitsrechdich aufgeladene Rhetorik fehlt. So spricht das Gericht nicht mehr — wie sonst so oft — davon, der als Werbeträger Eingesetzte werde »den Geschäftsinteressen Dritter dienstbar gemacht«59 oder »zu eigennützigen und zudem kommerziellen Zwecken ... instrumentalisiert.«60 Die Vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts und das kommerzielle Verwerterinteresse, verstärkt durch den Schutz des Art. 5 GG, werden vielmehr nüchtern und unpathetisch in Rechnung gestellt und als prinzipiell gleichgeartete (wirtschaftliche) Interessen gegeneinander abgewogen.61 Hierin liegt eine, in der obergerichdichen Rechtsprechung bereits vorgezeichnete62 Neu-tarierung des Abwägungsprozesses, welche auf einen durch die Entscheidung des BVerfG motivierten Rückbau des zivilrechtlichen kommerziellen Persönlichkeitsschutzes hinweisen dürfte. Die Botschaft der Entscheidung an Reklameunternehmen und an prominente Persönlichkeiten lautet jedenfalls, dass das »Einstreuen« parodierender Anspielungen in der Werbung künftig nicht mehr als per se unzulässig behandelt, sondern einer Einzel-fallbetrachtung unterzogen werden wird.63 Maßgeblich dafür, ob dem Vermögenswerten Bestandteil des Persönlichkeitsrechts oder der Rechtsposition des Werbetreibenden größeres Gewicht beizumessen ist, kann sein, ob nur der Aufmerksamkeitswert des Persönlichkeitsrechtsinhabers genutzt wird (sog. Blickfangwerbung) oder ob — darüber hinausgehend — der unzutreffende Eindruck entsteht, der Dargestellte empfehle das beworbene Produkt (sog. endorsement)," Letzteres dürfte auch bei satirisch-pointierter Einkleidung der Werbebotschaft nach wie vor unzulässig sein. So wäre der Fall »Lafontaine« vermutlich anders zu entscheiden gewesen, wenn die Bildunterschrift (»S verleast auch Autos für Mitarbeiter in der Probezeit«) Oskar Lafontaine mittels einer Sprechblase als eigene Aussage zugeordnet worden wäre, da hierdurch der unzutreffende Eindruck einer persönlichen Identifikation Lafontaines mit den Leistungen des Autovermieters hätte hervorgerufen werden können.
III. Rechtsfolgen
Liegt eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, stellt sich die Frage nach den rechtlichen Konsequenzen. In Betracht kommen vor allem (verschuldensunabhängige) Ansprüche auf Unterlassungund Widerruf (§ 1004 BGB analog) sowie (verschuldensabhängige) Ansprüche auf Schadensersatz (§ 823 I BGB, § 823 II BGB
i.V.m. §§ 22 f. KUG, §§ 185 ff StGB). Gegenüber unzutreffenden Tatsachenbehauptungen durch Massenmedien kann dem Betroffenen außerdem ein medienrechtlicher Anspruch auf Gegendarstellung zustehen, dessen Einzelheiten sich nach Landespresserecht richten.65 Im Rahmen des Widerrufsanspruchs analog § 1004 I 1 BGB ist zu beachten, dass dieser die Fortwirkung erwiesen unwahrer Tatsachen voraussetzt, da aus verfassungsrechtlichen Gründen niemand gezwungen werden kann, seiner subjektiven Meinung öffentlich abzuschwören oder etwas als unrichtig hinzustellen, was womöglich wahr ist.66 Im Gegensatz zum Widerrufsanspruch kann sich der Unterlassungsanspruch auch gegen drohende Werturteile und gegen zweifel-hafte Tatsachenbehauptungen richten.6'
Macht der Betroffene Schadensersatzansprüche geltend, so ist bei der Schadensberechnung nach dem betroffenen Ausschnitt des Persönlichkeitsrechts zu unterscheiden.
1. Schadensersatz bei der Verletzung ideeller Persönlichkeitsinteressen
Führt die Beeinträchtigung ideeller Interessen zu einem materiellen Schaden (z.B. Verdienstausfall infolge Kündigung), so ist dieser ohne Besonderheiten gem. § 823 I i.V.m. §§249 ff. BGB zu ersetzen. Für immaterielle Schäden wird eine geldwerte Entschädigung nur gewährt, wenn die besondere Schwere des Eingriffs eine solche Entschädigung erfordert und die erlittene Beeinträchtigung nicht in anderer Weise - etwa durch Widerruf - ausgeglichen werden kann.68
Anspruchsgrundlage ist nicht der klassische Schmerzensgeldanspruch aus § 253 II BGB, sondern unmittelbar §823 I BGB i.V.m. dem in Art. 1,2 1 GG verankerten Schutzauftrag.69 Die Geldentschädigung dient der Genugtuung und der Prävention und bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beteiligten, dem Verschuldensgrad und der Intensität der Persönlichkeitsbeeinträchtigung.70 Der Tochter im Fall »Esra« etwa wurden für die Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts 50.000 Euro zugesprochen.71
2.Schadensersatz bei der Verletzung kommerzieller Persönlichkeitsinteressen
Anders als die Beeinträchtigung ideeller Belange führt ein Eingriff in den kommerziellen Gehalt des Persönlichkeitsrechts regelmäßig zu einem Vermögensschaden und daher unabhängig von der Eingriffsintensität zu einem Anspruch auf Geldersatz.'2 Dem Persönlichkeitsrechtsinhaber stehen dabei - nach immaterialgüterrechtlichem Vorbild — drei Methoden der Schadensberechnung zur Verfügung: Er kann den Schaden nach den allgemeinen Regeln der §§ 249 ff. BGB konkret bestimmen, einen abstrakten Wertausgleich verlangen, der sich an der für die Nutzungshandlung hypothetisch zu erzielenden Lizenzgebühr orientiert (sog. Lizenzanalogie) oder den Verletzergewinn herausverlangen.'3 Neben deliktsrechtlichen Ansprüchen kommen Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag'4 und aus Eingriffskondiktion'5 in Betracht. Lange umstritten war die Frage, ob dem Persönlichkeitsrechtsinhaber auch dann ein Schadensersatzanspruch zusteht, wenn er nicht bereit oder nicht in der Lage gewesen wäre, eine Nützung seiner Identitätsmerkmale zu gestatten. In der früheren Recht-sprechung wurde bei nicht vermarktungswilligen Klägern'ein materieller Schadensersatzanspruch mit der Begründung verneint, dass es ohne Vermarktungsbereitschaft an einem Vermögensschaden fehle.'6 Allerdings konnte der Anspruch nach der herrschenden Literaturansicht'' auf § 812 I 1 2. Alt. BGB gestützt werden,
da für den Kondiktionsanspruch nur ein Eingriffserwerb des Verletzers, nicht aber ein Schaden des Verletzten erforderlich sei und marktgängigen Persönlichkeitsbestandteilen - unabhängig von einer konkreten Vermarktungsbereitschaft - ein vermögenswerter Zuweisungsgehalt eigne.'8 In Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung bejaht der BGH nunmehr sowohl den Schadens-ersatz- als auch den Bereicherungsanspruch unabhängig davon, ob der Persönlichkeitsrechtsinhaber bereit und in der Lage gewesen wäre, eine Nutzung seiner Persönlichkeitsmerkmale zu gestat-ten.'5 Die Begründung des Gerichts ist knapp, aber im Ergebnis überzeugend: Wer die Persönlichkeitsmerkmale eines Dritten unberechtigt ausnutzt, zeigt damit gerade, dass er ihnen einen wirtschaftlichen Wert beimisst. An dieser vermögensrechtlichen Zuordnung muss er sich festhalten lassen.80
C. DER POSTMORTALE ZIVILRECHTLICHE PERSÖNLICHKEITSSCHUTZ
I. Fortbestehender Persönlichkeitsschutz
Der Schutz der Persönlichkeit erlischt nicht mit dem Tod ihres Trägers.. Zwar endet mit dem Tod das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 I GG), da »Entfaltung« schon begrifflich eine handlungsfähige Person, also einen lebenden Menschen, voraussetzt. Aus Art. 1 GG folgt jedoch, dass der Verstorbene auch posthum nicht in seiner Würde verletzt werden darf.81 Dieser Verfassungsauftrag wird in erster Linie durch das über den Tod hinaus fortbestehende allgemeine Persönlichkeitsrecht verwirklicht. Auch das Recht am eigenen Bild wirkt postmortal fort (§22 Satz 3 KUG). Dagegen erlischt das in § 12 BGB als besonderes Persönlichkeitsrecht normierte Namensrecht mit dem Tod des Namensträgers. Nach Auffassung des BGH kann ein Toter nicht mehr Rechtssubjekt und daher nicht mehr Träger des Namensrechts sein. Postmortal verwirklicht sich der Namensschutz also ausschließlich im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
II.Inhaber der Bestandteile nach dem Tod des Rechts-
trägers
Die bereits im Rahmen des lebzeitigen Persönlichkeitsschutzes stets präsente Differenzierung zwischen ideellen und kommerziellen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts tritt im Rahmen des postmortalen Schutzes noch deutlicher zutage. Die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts sind höchstpersönlich, d.h. unauflöslich an die Person ihres Trägers gebunden: Sie sind daher zu Lebzeiten unveräußerlich und im Todesfall nicht vererblich.83 Die kommerziellen Bestandteile dagegen sind zumindest teilweise von der Person abgelöste, Vermögenswerte Rechte. Sie können deshalb mit dem Tod des Persönlichkeitsrechtsinhabers im Erbgang übergehen.84 Dieser postmortalen Abspaltung des kommerziellen vom ideellen Persönlichkeitsrecht korrespondiert häufig85 ein Auseinanderfallen der Aktivlegitimation. Während die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nach dem Tod des Trägers treuhänderisch von dessen Angehörigen als Wahrnehmungsberechtigten wahrgenommen werden, stehen die Vermögenswerten Bestandteile den Erben des Verstorbenen zu.86 Die Rechtsmacht der Erben über die auf sie übergegangenen Bestandteile ist jedoch ebenfalls gebunden. Die kommerziellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts dürfen weder gegen den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen eingesetzt noch zur Steuerung der öffentlichen Auseinandersetzung mit dessen Leben und Werk missbraucht werden.8'
III.Dauer des postmortalen Persönlichkeitsschutzes
Der postmortale Persönlichkeitsschutz unterliegt zeidichen Grenzen. Die in § 22 Satz 3 KUG für das Recht am eigenen Bild enthaltene Zehnjahresfrist ist für das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht unmittelbar einschlägig, und in der Rechtsprechung ist seit jeher anerkannt, dass der Schutz ideeller Persönlichkeitsinteressen die Zehnjahresfrist erheblich überschreiten kann. Der postmortale ideelle Persönlichkeitsschutz ist nicht starr befristet, sondern schwindet in dem Maße, in dem die Erinnerung an den Verstorbenen verblasst.88
Die postmortale Schutzfrist für kommerzielle Persönlichkeitsinteressen war lange Zeit umstritten. In der Literatur schwankten die für angemessen gehaltenen Schutzfristen zwischen 30 und '0 Jahren post mortem,89 während der BGH bislang eine akzessori-sche Bindung der Schutzdauer an das Fortbestehen ideeller Interessen favorisiert hatte.90 Von diesem Standpunkt ist der /. Zivilsenat jedoch mittlerweile abgekommen und spricht sich nunmehr für eine Übertragung der starren Zehnjahresfrist des § 22 Satz 3 KUG auf den Schutz der Vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus.91 Zur Begründung beruft sich der BGH auf das Gebot der Rechtssicherheit sowie auf den Umstand, dass »das Persönlichkeitsbild einer zu Lebzeiten sehr bekannten Person ... nach ihrem Tod auch Teil der gemeinsamen Geschichte«92 ist. Bedeutung hat die Entscheidung in erster Linie für die rein kommerzielle Persönlichkeitsverwertung ohne kommunikatives Anliegen oder tagesaktuellen Bezug.93 Diese ist zehn Jahre post mortem grundsätzlich hinzunehmen, ohne dass die Erben finanziell am Ertrag partizipieren können, sofern nur die Verwertung die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nicht verletzt. Eine unangemessene Benachteiligung der Erben liegt in dieser zeitlichen Beschränkung des postmortalen kommerziellen Persönlichkeitsschutzes nicht: Richtungsweisend ist wiederum die Aussage des BVerfG, das (verfassungsrechtliche) all gemeine Persönlichkeitsrecht sei nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der Person gewährleistet.94 Sinn und Zweck des aus Art: 1 GG abgeleiteten postmortalen Persönlichkeitsrechts ist also nicht, den Erben ein kommerzielles Verwertungsrecht zukommen zu. lassen.95 Soweit sich aus der zeitlichen Beschränkung
des postmortalen kommerziellen Persönlichkeitsrechts Schutzlücken im Hinblick auf ideelle Persönlichkeitsinteressen erge-ben,96 wäre diesen Lücken richtigerweise durch eine Verbesserung des ideellen postmortalen Persönlichkeitsschutzes zu begegnen.9'
IV. Rechtsfolgen einer postmortalen Persönlichkeitsrechtsverletzung
Nach gefestigter Rechtsprechung stehen den Wahrnehmungs-berechtigten bei einer postmortalen Verletzung der ideellen Be-standteile des Persönlichkeitsrechts nur Abwehransprüche, nicht aber Entschädigungsansprüche zu.98 Bei der Zubilligung einer Geldentschädigung für schwere Persönlichkeitsrechtsverletzungen, so der BGH, stehe regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung für das Opfer im Vordergrund. Einem Toten könne jedoch keine Genugtuung mehr verschafft werden.99 Auch der Präventionsgedanke vermag nach Ansicht des BGH die Gewährung einer Geldentschädigung nach dem Tod einer Person nicht zu tragen. Eine nähere Begründung für diese These bietet der BGH allerdings nicht. Das Gericht postuliert lediglich, der Entschädigungsanspruch stehe nur dem Persönlichkeitsrechtsinhaber und nur zu dessen Lebzeiten zu.100 Ob im Hinblick auf Art. 1 GG nicht effektivere Sanktionen zur Durchsetzung des über den Tod hinaus fortwirkenden Achtungsanspruchs erforderlich sind als bloße Abwehransprüche101 — die naturgemäß wenig nützen, wenn die Rechtsverletzung bereits beendet ist, bevor der An-spruchsberechtigte von ihr Kenntnis erlangt - wird letztlich das BVerfG zu klären haben.
Bei postmortalen Eingriffen in das kommerzielle Persönlichkeitsrecht ist die Rechtslage anders. Innerhalb der postmortalen Schutzfrist für Vermögenswerte Persönlichkeitsinteressen und unter Wahrung der mutmaßlichen Interessen des verstorbenen Per-sönlichkeitsrechtsinhabers können dessen Erben gegen die unau-torisierte Nutzung des ihnen zugewiesenen Vermögenswerts vorgehen. Ihnen stehen dabei die gleichen Abwehr-, Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche zu Gebote wie zu Lebzeiten dem Persönlichkeitsrechtsinhaber.102
D. RESÜMEE
Die neuere Rechtsprechung ist gekennzeichnet von dem Bestreben, die ideelle und die kommerzielle Seite des weiterhin formal alsEinheitsrecht behandelten allgemeinen Persönlichkeitsrechts inhaltlich auszudifferenzieren. Während dabei für die ideelle Seite, insbesondere im Hinblick auf den Privatsphärenschutz Prominenter, eine Anhebung des Schutzniveaus zu verzeichnen ist, scheint der kommerzielle Persönlichkeitsschutz derzeit im Rückzug begriffen. Trotz dieser sich abzeichnenden Entwicklungstendenzen sollte nicht vergessen werden, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht eine dynamische Materie ist. Die Rechtsprechung hierzu ist deshalb von Studenten, insbesondere von Examenskandidaten, im Auge zu behalten.